rock will never die
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  Interview Warren Haynes

 

Anfang Mai 2023 gab Gov`t Mule Bandleader Warren Haynes dem amerikanischen Sender creek fm ein aushührliches Interview zum neuem Gov`t Mule Album "Peace...like a river", welches am 16.06.2023 erschien.

Gov’t Mule’s neuestes Abenteuer “Peace… Like A River“ verbindet die klassischen Kennzeichen von Jam Rhythmus und berauschenden Texten mit seltsam frischem Geklimper und einer Art herausforderndem Überbewusstsein. Fertig gestellt in den „Power Station“ Studios in Waterford, Connecticut, zeitgleich mit den gleichen Sessions, die auch „Heavy Load Blues“ aus 2021 hervorgebracht haben, tauscht das neue Album den bodenständigen, „nach Mitternacht – Spelunken – Sound“ gegen kommentierende Geschichten und Selbstreflexion ein, hervorgebracht vom pandemischen Lockdown und die damit in dieser Auszeit unausweichliche, wenn auch nötige, persönliche Bestandsaufnahme von Lead-Gitarrist, Songschreiber und Frontmann Warren Haynes.

 

In den Augen von Haynes, der Gov’t Mule zusammen mit Drummer Matt Abst und dem verstorbenen Bassisten Allen Woody 1994 gründete, besticht „Peace… Like A River“ durch die vertretenen Songs, zeitweise sozialkritisch und extrem persönlich, aber besonders durch die stilistischen Wechsel durch vielfache Sound-Landschaften, die darauf abzielen, sowohl die Band als auch die Hörer gleichermaßen herauszufordern.

 

Peace… Like A River” ist auch durch die exzellente Reihe von Gast-Musikern herausragend, unter anderem Billy Gibbons bei dem serpentinenartigen „Shake Our Way Out“, Ivan Neville & Ruthie Foster in dem erhebenden Stück „Dreaming Out Loud“, mit dem sehr dynamischen Singer/Songwriter/Gitarristen Celisse bei „Just Across The River“ und Schauspieler/Regisseur/Musiker Billy Bob Thornton mit dem wunderbar seltsamen und sehr einzigartigen Song „The River Only Flows One Way“.

 

Gov’t Mule Haynes, Abst sowie Bassist Jorgen Carlsson und Keyboarder Danny Louis – kehren am 16. May 2023 nach Macon und zum City Auditorium zurück; und diese Reise bietet weitaus mehr als nur die Gelegenheit, zu performen.

 

Ich werde eine Menge Leute wiedertreffen, das ist längst überfällig,“ erzählt Warren begeistert während eines Telefonates an einem späten Nachmittag. „H&H, das Big House – ich kann mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen, dort abzuhängen! Die Geschichte – nicht nur meine Geschichte mit den Allman Brothers, die begann, als ist Dickey Bett’s Band 1986 oder 87 beigetreten war – ich stieß dann `89 zu den Allman Brothers – aber auch Gov’t Mule’s Geschichte, unsere allerersten Proben waren in Macon! Wir verkrochen uns im Big House und probten und arrangierten jede Menge Material, das letztlich auf dem ersten Album landete, einiges dann auf dem zweiten. Wir spielten einige Demos im alten Capricorn Studio ein, als es noch ganz etwas anderes war, und machten viele Fotos – wie beim Überqueren der Otis Redding Gedenk-Brücke und vor dem Gebäude, das einstmals Miss Anne’s Club gewesen ist – und Macon war einfach ein großer Teil der Entstehung von Gov’t Mule.“

 

A.I.: Du hast Dich kürzlich ausführlich dazu geäußert, wie es war, „Heavy Load Blues“ und „Peace…Like A River“ zeitgleich aufzunehmen; in meinen Augen ein epischer Wurf an genutzter Studiozeit! Mich interessiert die Reihenfolge der Veröffentlichungen; warum Ihr „Heavy Load Blues“ als erstes rausgebracht habt. Die Songs auf „Peace… Like A River“ wirken wie ein Individuum, das gerade aus dieser besonderen Zeit herauskommt – die Pandemie, diese fragile politische Landschaft – und was Ihr dabei erlebt habt.

 

W.H.: Es war ein bisschen wie Losen, sehr unentschieden. Letztendlich gab die Tatsache, dass wir schon so lange vorhatten, ein Blues-Album zu machen, den Ausschlag und wir dachten: „Nun gut, wenn es jemals eine Zeit gab, wo jeder den Blues hat, dann wohl jetzt (lacht…)“. Wie Du schon angemerkt hast, beschäftigt sich „Peace… Like A River“ in mancher Hinsicht mit dem Herauskommen aus COVID und dem ganzen Lockdown, wo wir alle besonders dankbar sind, das hinter uns zu haben - mal davon ausgehend, dass es zu Ende ist – aber eben eher in einer festlich-gefeierten ‚auf der anderen Seite der Hölle‘ Art und Weise. Ich wollte ein bisschen Humor mit in die Waagschale werfen und es mit dem Gefühl, was wir alle haben, verbinden, nicht zu sehr vorpreschend aber gleichzeitig nicht zu sehr Lockdown bezogen. Es ist eine ziemlich universelle Botschaft und ein ziemlich universelles Album insgesamt. Aber hier und da gibt es flüchtige Einblicke, die zeigen, dass diese Songs während des Lockdowns geschrieben wurden. I wurde genauso verrückt wie alle anderen, und der einzige Weg, den wir kannten, um damit umzugehen, war ‚ab ins Studio‘ und einfach zwei Alben auf einmal zu machen.

 

A.I.: Ihr habt also tagsüber an „Peace… Like A River“ gearbeitet und dann am Abend, da habt Ihr den Blues gespielt. Wie war das so für Euch, immer wieder diesen Schalter umzulegen? Quasi von den etwas „schwereren“ Songs hinüber zu wechseln zu diesem, wie ich es vermute, totalen Spaß, ein Blues-Album zu machen.

 

W.H.: Ich glaube, genau das war der Schlüssel dazu – das Blues-Album war reiner Spaß! Wir haben einfach unser Gehirn ausgeschaltet, zu Abend gegessen, und uns im Anschluss in das kleine Zimmer nebenan verkrümelt und den Rest der Nacht Blues gespielt! Es war ein Weg, unsere Gehirne wieder aufzuräumen, frei zu machen, und hat sich als das richtige Rezept erwiesen. Und es war tatsächlich so viel einfacher als zunächst erwartet – darüber habe ich mir nämlich auch Gedanken gemacht – dieser Übergang vom einen zum anderen. Ich würde nie empfehlen, zwei Alben parallel (lacht) aufzunehmen – außer während eines Lockdowns! Aber es hat sich als perfekt herausgestellt, nach einem ganzen Tag an den „Peace… Like A River“-Songs zu arbeiten. Wir haben dann das getan, was wir lieben, was uns im Blut liegt und wobei wir nicht denken mussten. Das fühlte sich wirklich großartig an.

Wir haben die ersten sieben oder acht Tage nur mit Proben verbracht, ohne aufzunehmen, nur proben, das neue Material arrangieren, jammen, uns wieder auf Vordermann bringen, weil wir so lange nicht gespielt hatten. Das war auch Teil der Mission, dass wir jeder für sich aber eben auch wir als Gesamtes wieder zur Höchstform auflaufen konnten. Am achten oder neunten Tag haben wir dann mit den Aufnahmen begonnen, und man konnte es fühlen, wie alles mit jedem Tag besser und stärker wurde. An dem Punkt angekommen hieß es dann „Yeah, das fühlt sich gut an. Packen wir’s! “

 

A.I.: In „Shake Our Way Out“, ungefähr nach dreieinhalb Minuten, spielst Du eine wirklich sehr krasse, fette Lead Passage, das ist großartig und hat irgendwie das ZZ Top – Gefühl. Hattest Du das (geschrieben), bevor oder nachdem Du Billy Gibbons eingeladen hast, beim Song mitzusingen?

W.H.: Bevor! Dieser Song hatte, als wir im Studio dran gearbeitet haben, von Anfang an so eine von ZZ beeinflussten Stimmung, und das hat mich dazu bewegt, Billy anzurufen und zu fragen, ob er da mitmischen wollte. Als ich mit ihm sprach, sagte ich „Hey, wir haben gerade dieses Stück rausgestampft und es riecht nah ZZ Top. Ich hätte dich gerne als einen Teil dabei.“ Er lachte und sagte „Schick es mir, ich hör mal rein!“ Es war großartig! Weißt Du, er hatte bei dem Song „Broke Down On The Brazos“ vom Album „By A Thread“, mitgespielt, aber nicht gesungen. Und hier jetzt, hier singt er und spielt nicht, also nächstes Mal kriegen wir ihn wohl dazu, beides zu machen!

 

A.I.: Da wir gerade von (musikalischen) Einflüssen sprechen, „Made My Peace“ hat so einiges an psychedelischem Beatles Sound an sich. Ich glaube, das ist der epischste Song auf dem Album – Ihr macht da diesen mega „Queen“-esken Schwall mit dichten Streichern. Und du singst „Hey, schau mich an, ich bin der verlorene Sohn“, was die Frage aufwirft, wohin kehrst Du zurück? Ist es eine spirituelle Rückkehr?

 

W.H.: Es ist gleichermaßen eine Metapher für gerade wieder angekommen sein. Es ist aus Sicht des verlorenen Sohnes geschrieben, für den ich mich zwar nicht halte; aber auf metaphorischer Ebene bezieht es sich in vielem aufs ‚lange weg gewesen sein‘ und dann den Weg zurück zu finden. Ich habe zudem meinen Vater währenddessen verloren, was sehr schwierig für mich war. Und es immer noch ist.

 

A.I.: Gone Too Long“ fühlt sich entweder an wie Teil 2 oder eine andere Sichtweise von „Made My Peace“.

 

W.H.: Ja, ich würde sagen, da ist definitiv eine Verbindung. „Gone Too Long“ ist eher wie eine eins-zu- eins-Beziehung mit Deinem Seelenverwandten, erkennt aber in der gleichen Weise an, wieviel Zeit des Lebens man woanders verbracht hat, was es für Schäden verursacht hat und welch große Verluste man auf dem Weg hat erleiden müssen. „Gone Too Long“ ist Song, den ich David Crosby widmen würde, den ich nur flüchtig kannte – wir haben einmal zusammengespielt – aber er war definitiv ein Einfluss. Ich merkte, dass der Song von seinen (David’s) frühen Anfängen beeinflusst war, und als er dann starb, da machte es auf einmal alles Sinn für mich. Aber vom textlichen Standpunkt aus, da hat es eine nette Wendung am Schluss, „Noch ein Kuss, ich lasse ihn auf meinen Lippen, aber bitte lass mich nicht zu lange wegbleiben“. Irgendwie verbindet es die beiden Enden.

 

A.I.: Das ist interessant – Du sagst, dieser Song wäre David Crosby gewidmet und für mich fühlte es sich so an wie etwas, das Gregg Allman gemacht hätte. Und ich glaube, dass “After The Storm” wirklich Deine persönliche Allman-Geschichte rüberbringt.

 

W.H.: Ich hätte liebend gerne Gregg diesen Song singen hören! Ich glaube, er hätte einen fantastischen Job damit gemacht. Es ist ein Song mit zweier- und dreier- Harmonien, was wunderschön ist und nicht wirklich etwas, wovon Gov’t Mule viel gemacht hat.

 

A.I.: Ein weiterer fantastischer Song auf dem neuen Album, „Your Only Friend“, rührt einen beim ersten Hören fast zu Tränen; und falls Du den für jemand besonderen geschrieben hast, hoffe ich, diese Person ist noch unter uns, um ihn hören zu können.

 

W.H.: Es ist quasi eine Vermischung von mehreren unterschiedlichen Beziehungen. Es ist ein extrem persönlicher Song für mich, und da Du es angesprochen hast, mir kommen auch fast die Tränen, wenn ich ihn höre! Es ist einer dieser seltenen Songs, die so persönlich sind, dass ich bei jedem Hören an einen bestimmten Platz (im Leben) zurückversetzt werde. I liebe es, wie er geworden ist – so ein schöner Ausflug, musikalisch betrachtet, für Gov’t Mule und vom Rest des Albums, aber definitiv einer meiner Favoriten.

 

A.I.: Du sprachst von „Anders “– „The River Only Flows One Way” mit Billy Bob Thornton! Das ist so cool! Ich habe gelesen, dass dich ein anderer Interviewer nach Künstlern gefragt hat, mit denen Du gerne arbeiten würdest und Du hast Tom Waits erwähnt – dieser Song hat definitiv eine Tom Waits trifft Jimi Hendrix „1983“ Stimmung. Wie kam das zustande? Und wie kam es, dass Billy Bob Thornton den Gesang hierfür lieferte?

 

W.H.: Es hat mit der Musik angefangen, diese Basslinie, die den Song antreibt – hat so ein seltsames Dub-mäßiges Reggae-Feeling. Es setzte sich einfach in meinem Kopf fest, als ich eines Tages so im Haus herumging, und ich hab’s einfach in mein Handy gesungen, um es nicht zu vergessen. Aber es blieb mir im Kopf und war dort die ganze Zeit präsent! Letztendlich schrieb ich dann diesen Text, der merkwürdig und fremd und anders als fast alles ist, was wir je gemacht haben; und ich wollte, dass die Strophen im Sprechgesang sind, so eine Art Beat-Poetry – aber es ist sehr viel seltsamer und dunkler auf eine humorvolle Art und Weise.

Ich begann zu überlegen, dass es nicht wirklich meine Stimme war, die ich in diesem gesprochenen Part hörte. Es gibt nur eine Handvoll Menschen, an die ich in diesem Zusammenhang denken würde – und da Du es erwähnt hast, Tom Waits würde perfekt passen! Wir dachten an Billy Bob; er und Ich sind schon seit einer Weile befreundet. Wir haben tatsächlich erst kürzlich einen Song zusammen geschrieben und blieben immer in Verbindung, und ich dachte, „Nun, er wäre perfekt dafür! Ich rufe ihn mal an und frage, wie er darüber denkt!“ Er hat ein tolles Studio und er hat es bei sich aufgenommen, so dass ich es erst hören konnte, als es fertig war, und es passte einfach perfekt!

 

A.I.: Du hast erst kürzlich einen Song mit Billy Bob geschrieben? Die Aufnahmen zu „Peace… Like A River“ und auch „Heavy Load Blues“ sind ja nun schon eine Weile her, also vermute ich, dass Du – in dieser neuen Welt- irgendwie beflügelt bist, viel zu schreiben und möglicherweise an einem Follow-Up-Album zu arbeiten?“

 

W.H.: Weißt Du, Ich habe viel Zeug geschrieben, dass eigentlich (dem Album) „Man In Motion“ ähnlicher ist. Irgendwie liegt es zwischen diesem und „Ashes & Dust“, und ich frage mich, ob vielleicht das Nächste, was ich mache, nicht vielleicht ein Solo Album wird. Ich bin sicher, nach zwei Alben und zwei aufeinanderfolgenden Touren, braucht Gov’t Mule vielleicht eine Pause! Ich bin zwar noch nicht so weit, habe aber bereits begonnen, viel zu schreiben. Während des Lockdowns habe ich so viel mehr geschrieben als in den Jahren vorher, und wir haben so um die zwanzig plus Songs für die beiden Alben aufgenommen. Und da waren immer noch Songs übrig, die nicht fertig gestellt wurden. Ich freue mich sehr, wieder ins Studio zu gehen, aber jetzt haben wir erstmal jede Menge Auftritte am Start!

 

Link zu Quelle :  https://thecreekfm.com/2023/05/03/prodigal-mule-warren-haynes-discusses-new-album-ahead-of-5-16-return-to-macon/

 

Übersetzung: Sandra B.