rock will never die
   rock will never die

Leverkusener Jazztage

 

04. - 16.11.2017

 

 

feat. Albert Lee, The Brew, Gov`t Mule

Wenn die Organisatoren der Leverkusener Jazztage rufen, kommen sie alle. Große Namen gaben sich in den vergangenen 37 Jahren unter dem Bayer-Kreuz bereits die Klinke in die Hand. Ob Miles Davis, James Brown, Ray Charles, Al Jarreau, ZAZ, Popa Chubby oder Gregory Porter, alle waren sie bereits dort. Anno 2017 sollten die Jazztage dann mit einer ganz besonderen Rocknacht aufwarten. Neben den Engländern The Brew um Ausnahmegitarrist und Frontman Jason Barwick, dem englischen Sänger und Gitarristen Albert Lee sollten erstmals in der Geschichte jener Konzertreihe die u.s. Jamrocker Gov`t Mule in der Stadt auftreten. Zusammen eine musikalische Bandbreite, die ihresgleichen sucht. Spielort war traditionell das dort ansässige Forum, ein alteingesessenes Kulturzentrum mit verschiedenen Sälen mit unterschiedlichen Kapazitäten. Im Terrassensaal, dem größten Saal, sollte die Rocknacht stattfinden. Nachdem Gov`t Mule nur eine Woche zuvor ein fulminantes Halloween-Konzert in Amsterdam gaben, war der Auftritt in Leverkusen nochmal ein Sahnehäubchen für ihre Anhänger diesseits des Atlantiks.

 

Starten sollte aber zunächst ein ganz besonderer Künstler, der seit nunmehr 50 Jahren als Sänger, Komponist, Songwriter und Produzent tätig ist:

Albert Lee. Der smarte Engländer spielte bereits mit internationalen Größen wie George Harrison, Joe Cocker, Eric Clapton, Tom Jones oder Country-Ikone Emmylou Harris zusammen und veröffentliche zahlreiche Soloalben. Besonders im Bereich der Country Musik hat Lee einen großen Einfluss hinterlassen. Seine Spieltechnik ist legendär und geprägt von Exaktheit und Geschwindigkeit. Lee war dann auch als erster Act angekündigt und betrat unter viel Beifall pünktlich um 19 Uhr die Bühne des rund 1000 Zuschauer fassenden Hauptsaales. Die „Rocknacht“ eröffnete der 1943 geborene Engländer aus Leominister/Herefordshire mit einem Willie Dixon Klassiker, der erst durch Muddy Waters größere Bekanntheit erlangte, „I`m ready.

 

 

Präsentiert wurden eine Vielzahl von Coversongs von Künstlern wie Gram Parsons, Little feat, Jimmy Webb oder Ray Charles. Zu Alberts Band zählten die Musiker John `J.T.` Thomas (keys), Will McGregor (bass), und Jason Harrison Smith (drums). Lee spielte ein erfrischendes, abwechslungsreiches Set, und wirkte angesichts seiner 74 Jahre extrem agil. Ein kleiner aber intimer Höhepunkt war sicherlich das am Piano vorgetragene „The Highwayman“ von Jimmy Webb. Das Stück erlangte 1985 nochmal große Bekanntheit durch die Version der gleichnamigen „Soupergroup“ mit Willie Nelson, Kris Kristofferson, Johnny Cash und Waylon Jennigs. Ihn nun hier so intim vorgetragen zu bekommen war schon sehr ergreifend. Die gedämmten Beleuchtungskörper verstärkten die Intimität zusätzlich. Sehr schön auch die Verneigung vor Tom Petty. Mit „Restless“ bot man einen Carl Perkins Song von 1968 zum Besten, den jener aber nochmal 1996 zusammen mit Petty & the heartbreakers für sein Album „Go! Cat! Go!” neu aufgenommen hatte.

 

Setlist Albert Lee:

01. I'm Ready
02.
Rad Gumbo
03. Restless
04. Runaway Train
05. Luxury Liner
06. Spellbound
07. Leave My Woman Alone
08. The Highwayman
09. Tear Stained Letter
10.
Country Boy
11. Tear It Up

 

Nach einer kurzen Umbauphase wurde es dann deutlich lauter. The Brew aus England standen nun auf dem Programm und versprachen die Hütte richtig zu rocken. Es sind vor allem ihre energiegeladenen Live-Auftritte, die ihnen zu Erfolg und Anerkennung in Europa verholfen haben. Das klassische Powertrio Line-up setzt sich zusammen aus Bassist Tim Smith, dessen Sohn Kurtis Smith am Schlagzeug und „Überflieger“ Jason Barwick, der neben der Gitarre den Gesang beisteuert. Gerade letzterer liefert regelmäßig schweißtreibende Live-Performances ab, verbunden mit stage-jumping und schweißtreibenden Gitarrensoli. The Brew zählen seit nunmehr 12 Jahren zu den Überfliegern britischen Bluesrocks und veröffentlichen bisher 6 Studioalben und eine E.P. Und die Briten ließen sich nicht lange biten. Mit „Repeat“ , von ihrem 2014`er Album „Control“, präsentierte man einen brachialen Bluesrock-Kracher, der die alte Halle mächtig ins Wanken brachte. Überhaupt war es ein leidenschaftlicher, dynamischer Auftritt, der unglaublich viel Kraft gekostet haben muss, die Fans jedoch in Entzückung brachte.

 

 

Dass das Trio auch ruhiger kann, bewies man eindrucksvoll in „Kamm“, jenes balladeske Stück, welches man über 11 Minuten zog. Selbstredend war aber auch hier „Wildfang“ Jason nicht zu bändigen und rotzte ein dreckiges Solo zur Mitte des Stücks auf die Bretter, Drummer Kurtis Smith stieg mit ein, und „Kamm“ gewann mächtig an Fahrt. Smith „Senior“ stand dem indes in nichts nach, möge man doch vermuten er sei wegen seiner Vaterrolle der Gegenpol zu Jason. Weit gefehlt. Er malträtierte seinen Bass, als müsste er ihn für irgendwas bestrafen, sprang hyperaktiv über die Bühne und war gleichermaßen agil wie seine Mitstreiter. Es war ein hervorragender Auftritt von The Brew.

 

Setlist The Brew:

01. Repeat
02.
Johnny Moore
03. Knife edge
04. Mute
05. Skip
06. Kam
07. Every gig has a nighbour
08. Name on a bullet
09. Bow jam
10.
-Drumsolo-

 

 

Dann war es soweit. Nach einer erneuten Umbauphase wartete man ungeduldig auf die Performance der Heavy-Blueser von Gov`t Mule. Als die Scheinwerfer gedimmt wurden, Jubel und Pfiffe ertönten, vernahm man die Einspielung des Intros, welches man auch schon in Amsterdam benutzte – Der Suchlauf eines alten Transistorradios mit kurzen Einspielungen diverser Musikklassiker. Das u.s. Quartett stand mittlerweile vollständig auf der Bühne, und die ersten Töne von „Railroad boy“ waren zu vernehmen. Welch ein Wahnsinn. Noch immer hatte ich die Halloween-Performance aus der Woche davor nicht verarbeitet, da gab es nun bereits die nächste Packung. Erneut überkam mich ein Schauer unendlicher Dankbarkeit. Gov`t Mule sind seit langem ein Fixpunkt in meinem Musikkosmos geworden. Unwiderruflich. „Railroad boy“ ist ein knorriger Stampfer von ihrem 2009`er Werk „By a thread“, ist aber im Original ein Traditional, das erst durch die Version von Folk-Ikone Joan Baez Bekanntheit erlangte. Zu erkennen ist es als solches allerdings kaum noch, die 4 Maultiere haben dem Stück ihrerseits eine gehörige Auffrischung verpasst. Sofort wippten die ersten Köpfe in der hitzigen Luft, Füße stampften auf den Boden und das Absperrgitter diente als Perkussionsinstrument.

 

 

Im nachfolgenden „Mule“ ging man noch mehr in die Zeit zurück und bediente sich seinem selbst betitelten Erstling, „Gov`t Mule“, von 1995. Der 05:32 Minuten Klassiker wurde in Leverkusen locker auf die doppelte Spiellänge gezogen. Haynes wechselte hier bereits auf seine Fender Les Pauls und bewies, warum die amerikanische Gitarrenschmiede zu einer der besten weltweit gehört. Der druckvolle, ausgewogene Klang der Klampfe fügte sich geschmeidig in die Jams von „Mule“, und verlieh dem Stück die richtige Temperatur. Mit „Banks oft he deep end“ folgte ein weiterer Meilenstein aus ihrem Repertoire, was für ein geiler Beginn! Die getragene, kernige Bluesrocknummer hinterließ tiefe Spuren bei den Besuchern des Forums. Die durchschimmernden psychedelischen Fragmente, Haynes Stimme eindringlich und straight, final destination.

 

 

Game face“ komplettierte dann die kleine „best of“ Show, ein Song ihres 1998`er Werks „Dose“. Was für ein Segen. Die Gunst des Schicksals stand auf unserer Seite. Ohne diese Songs wäre meine Welt eine andere. Keine Frage. Das Auditorium, immer noch bis zum letzten Platz gefüllt, verfolgte ungläubig den Auftritt der Band und spürte, dass dies eine besondere Nacht war. Es folgten zwei Titel ihres dato aktuellen Albums, „Revolution come…revolution go…“, bevor das Set zur Halbzeit mit dem Allman Klassiker „Kind of bird“ in ein kleines Finale ging. Ein unglaublicher Jam, wie ich ihn bereits 7 Tage zuvor in Amsterdam erleben durfte. Man möge denken, dass die Combo nach 17 Tagen Europa geschafft sei, aber weit gefehlt. Warren und co. spielten mit der gleichen Leidenschaft und Vehemenz wie am 22.10. zu Tour beginn in Dublin.

 

 

Eine Pause gab es heuer nicht, die TV-Aufzeichnung verlangte striktes Durchspielen, und so erlebten wir eine mehr als 2-stündige Show einer Band, die den Jazztagen damit einen Platz im Olymp beschert haben. Mit dem knapp 10-minütigen „Thorns of life“ und „Revolution come…revolution go…“ griff man nochmal auf das aktuelle Album zurück und prangerte mit letzterem erneut politische Missstände an. Danny Louis brillierte an den Keyboards/Piano und später auch auf seiner Posaune und man zelebrierte den Tune über 9 Minuten. Mit dem ursprünglich von Blind Willie Johnson bereits 1927 eingespielten Titel „Dark was the night, cold was the ground“, endete das offizielle Set der Band und Warren verabschiedete sich standardmäßig mit einem trockenen „Thank you“. Beifallsbekundungen und Zugaben-Rufe wollte jedoch nicht abklingen. Selbstredend betrat man nochmal die Bühne des Terassensaals, um sich gebührend von den europäischen Muleheads zu verabschieden. Es war der der letzte Titel des letzten Auftritts diesseits des Atlantiks in 2017. Ein wenig Wehmut lag in der Luft, aber der harte Bass von Jorge Carlsson holte dich schnell wieder in die Realität zurück. „Broke down on the brazos“ war der dazugehörige Titel, und der zeigte dir nochmal die Richtung. Wehmut und Melancholie mutierten zu Fremdwörtern und das Forum wurde nochmal bis auf die Grundmauern erschüttert.

 

 

23.45 Uhr. Was bleibt ist die Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass es ohne diese Band eine andere Musikwelt wäre. Eine, in der etwas Essenzielles fehlen würde. Gov`t Mule vertonen deinen Alltag, sind Wegbegleiter, Freund und Ratgeber. Gov`t Mule sind fundamental. Punkt.

 

 

Setlist Gov`t Mule:

01. Railroad boy
02.
Mule
03. Banks of the deep end
04. Game face
05. Pressure under fire
06. The man i want to be
07. Kind of bird
08. Thorns of life
09. Revolution come...revolution go

10. Freeway jam
11. Travelling tune

12. Stone cold rage

13. Dark was the night, cold was the ground

14. Broken down the brazos

 

 

 

 

rockfrank