rock will never die
   rock will never die

The Waymores

21.03.2024

 

Köln

Europe Tour 2024

 

Irgendwo tief im Süden der USA: Ich stehe vor einer heruntergekommenen Kneipe, dem Layla's Bluegrass Inn, in einem Vorort von Atlanta. Die Waymores spielen heute Nacht hier auf. Der Laden sieht nicht wirklich einladend aus, aber ich stehe ja auch nicht in der Upper East Side in New York. Der letzte Burger liegt mir noch schwer im Magen; es wird Zeit für ein paar Bier, damit wieder Ordnung in meinem Feinkostgewölbe herrscht. Ich kann es immer noch nicht glauben; ein echtes Country Konzert in einer richtigen Country Kaschemme, das habe ich mir schon immer gewünscht...... 

 

Plötzlich die schrille Sirene eines Rettungswagens. Ein Ruck geht mir durch den Körper und ich bin schlagartig zurück in der Realität. Aus Atlanta wird Köln-Ehrenfeld, einer der originellsten Stadtteile der Dom-Metropole, und aus Layla‘s Bluegrass Inn wird das EDP (Em Drügge Pitter). Verdammt. Eine Gemeinsamkeit bleibt aber erhalten. Das EDP sieht, zumindest äußerlich, nicht viel einladender aus als sein Pendant in Altana, ist aber an Authentizität nicht zu übertreffen. Vor dem Laden steht ein betagter, roter Truck; die Waymores befördern ihr Equipment ins EDP. Und dann beginnt die (musikalische) Nacht meines Lebens!

 

Glen, ein Freund der Waymores und selbst Mitglied einer Band, heizt den Laden mit ein paar seiner Songs erstmal richtig auf. Mit seiner Mischung aus Rock und punkigen Gefilden, alles auf seiner Gitarre begleitet, findet er genau den richtigen Nerv des Publikums.

 

photo: by rockfrank

 

Die Waymores schafften von Beginn an eines: Sofort war ich wieder in Atlanta im Layla‘s Bluegrass Inn. Dieses Feeling, welches sie mit ihren warmherzigen Kompositionen entfachten, findest Du nur in einer unverkennbaren Schankstube. Und auch ihre Fans scheuten sich nicht, im Cowboy-Outfit zu erscheinen. Atlanta oder Köln, wen interessierte das gerade noch, denn die gemeinsame Schnittmenge begeisterte gerade auf der kleinen Bühne des EDP.

 

Die Waymores, namentlich Kira und Willie, eröffneten den Abend und begannen mit „Matches“ einem Song aus ihrem Debütalbum „Weeds“. Für ein paar Stunden war diese angeschlagene, pflegebedürftige Welt da draußen vergessen, und die Protagonisten entführten uns in ein besseres, erträglicheres Dasein. Danke!

 

 

Unterstützt wurden sie dabei von ihrer Begleitband, die sich aus Thiago Franzim (lead guitar), Ricardo Pigatto (bass) und Douglas Labigalini (drums), zusammensetzte. Großartige Musiker, die den Entschleunigungsprozess untermalten. Zu jedem Song wurde eine kleine Entstehungsgeschichte erzählt. Und so folgten im weiteren Verlauf des Abends Lieder wie „Moe Brown“, „Bring you down“, „Heart of stone“ oder „Caught“, letzteres von ihrem Longplayer „Stone Sessions“ aus dem Jahr 2021.

 

Schon jetzt graute es mir, später wieder durch die Pforte auf die andere Seite zu gehen und in den Alltag eintauchen zu müssen. Aber noch war es lange nicht so weit. Den Tränen nahe verfolgte ich das weitere Geschehen im EDP und auch die Waymores fühlten sich sichtlich wohl und herzlichst aufgenommen. Ihre schlichten, ergreifenden Melodien lassen auch den härtesten Cowboy schmelzen und zum braven Ehemann mutieren.

 

Apropos Ehe. Kira und Willie sind nicht nur ein musikalisches Gesangs-Duo, sondern haben auch im wahren Leben den Ehebund geschlossen. Irgendwo habe ich mal gelesen: Musik ist ein magischer Schlüssel zur Seele. Die Waymores haben an diesem Abend im März zahlreiche Gemüter erreicht. Auch zwei Waylon Jennings Songs („Waymores blues“ mit der Band und „We had it all“ später in einem Akustik-Set) waren im Programm, was nicht ungewöhnlich ist. Zum einen sind sie große Fans der Country-Legende, zum anderen bezogen sie sich auf den Outlaw beim Aussuchen ihres Bandnamens. Waymore war der Beiname von Waylon Jennings. Auch einer weiteren Ikone wurde gehuldigt. Mit „Swinging doors“ gedachten sie dem 2016 verstorbenen Merle Heggard.

 

 

In „Die right here“ sangen sie darüber, sich vorzustellen oder davon zu träumen, von dem Ort, an dem man lebt, aufbrechen zu wollen, um woanders sein Glück zu finden und große Träume und Wünsche hat. Dabei ist einem klar, dass es nur Phantasien sind und man schlussendlich an dem Ort bleiben und sterben wird, an dem man gerade ist - der Heimat. Überhaupt sind ihre Alltags- und zwischenmenschlichen Themen leichte Kost, die wunderbar die Sinneswahrnehmungen streichelten.

 

Dann gab es - keinen Break. Familie Waymore zog das komplette Programm durch. Ihre Band schickte sie aber für ein paar Songs an den Tresen, während dessen das Duo ein Akustik-Set zum Besten gab, das auch den allerletzten Gast im Lokal mental erreicht hat. Die Honky-Tonk-Bar war außer Rand und Band. Was für eine Show! Wenn Du jetzt gedacht hast „Prima, ich bin zufrieden, gehe meiner Wege“, hast Du Dich geschnitten.

 

 

Nach Rückkehr der Rhythmus-Fraktion auf die Spielfläche schaltete man gleich zwei Gänge hoch und legte einige Stücke in Country-Rock-Manier aufs Podium, dass es in den vorderen Reihen kein Halten mehr gab und sie das EDP in eine Tanzbar verwandelten.

 

Ob „Move it on over“, einem Hank Williams Original oder „Flashback of a fool“; Thiago Franzim an der E-Gitarre mutierte kurzerhand zu James Burton und begeisterte das Auditorium. Noch bevor die letzten Töne von „Time to ramble“ im Kölner Nachthimmel verklangen, hörte man die ersten Zwischenrufe der Cowboys und -girls: „We want more, we want (Way)more(s)“. Das ließ sich die Band natürlich nicht zweimal sagen. Drei weitere Songs schenkten uns die Waymores noch, unter anderem „Louisiana woman“.

 

 

Erst sehr viel später in der Nacht war ich zurück im heimischen Solingen, 40 km von der Domstadt entfernt. Das Feeling aus Layla‘s Bluegrass Inn / EDP noch ganz tief in mir, schwelgte ich noch lange in Erinnerung an einen fantastischen Abend mit den Waymores. Mehr Gefühl, mehr Authentizität und mehr Seelenregung gehen nicht. Dafür danke ich Kira und Willie von ganzem Herzen!

 

 

 

 

 

rockfrank

 

 

 

 

all photos from the Waymores by: Sandra B.