rock will never die
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Im Gespräch mit...Anne de Wolff

photo by: Stefanie Hempel

Im Rahmen der BAP Sommer Tour 2023 traf ich die Multiinstrumentalistin Anne de Wolff

 zu einem Interview, um mit ihr über ihre Karriere und aktuellen Projekten zu sprechen.

rockfrank: Anne, Du hast Deine ersten künstlerischen Erfahrungen mit der klassischen Musik gemacht und in Dresden eine langjährige Instrumentalausbildung absolviert. Zu welchem Zeitpunkt hast Du in die populäre Musik gefunden bzw. was war der Auslöser?

 

Anne de Wolff: Mich hat damals ein Freund gefragt, ob ich in seiner Band mitspiele. Es gab Proben auf einem Dachboden und ich war gleich angefixt. Irgendwann kam dann ein Typ in meiner Berliner Studentenzeit in die Kneipe, in der ich nebenbei gekellnert habe, und hat mir Bob Dylans Desire“ auf den Tresen gelegt. Seine Kolleginnen waren Freundinnen von mir, und er suchte jemanden, der Geige spielen konnte. Ich habe mir dann das Album und seine Sachen angehört und gedacht ‚toll, ich habe so Lust, auch mal andere Musik zu machen´.

Wir haben ganz viel Straßenmusik zusammen gemacht, was mich als Klassikerin das Improvisieren üben ließ, der Rest ist Geschichte.

 

rockfrank: Du bist Multi-Instrumentalistin und beherrschst eine Reihe von Streich- sowie Perkussionsinstrumenten. Auch Tasteninstrumente sind Dir nicht fremd. Wie würdest Du Deine Charakteristiken beschreiben, bei welchem Instrument fühlst Du Dich am wohlsten?

 

Anne de Wolff: Ich bin natürlich am meisten zu Hause bei der Geige. Da bin ich einfach mit groß geworden. Ich spiele aber auch super gerne Cello. Das habe ich leider viel zu spät entdeckt. Es hat diesen warmen, schönen, tiefen, berührenden Klang hat. Die Geige ist mir manchmal fast zu hell. Ich spiele auch gerne Gitarre. Aber ich habe natürlich den besten Gitarristen zuhause (Ulrich Rode), und das ist dann eher deprimierend (lacht). Trotzdem macht es mir mit meinen wesentlich bescheideneren Kenntnissen Spaß. Ich weiche auch gern auf meineTenorgitarre aus, die z.B. wie eine Bratsche gestimmt ist. Das ist dann wieder näher.

 

rockfrank: Die Liste der Kollaborationen mit anderen Künstlern, sei es durch Produktionen, gemeinsame Live-Auftritten oder Deine Beteiligung an deren Alben ist lang;

Anna Depenbusch, Fury in the Slaughterhouse, Gregor Meyle, Helene Fischer, Laith Al-Deen, Mark Forster, Rosenstolz oder Johannes Oerding und natürlich BAP, wo wir später noch einmal drauf zu sprechen kommen, um nur einige zu nennen. Welches Zusammenwirken hat Dich rückblickend besonders herausgefordert, war vielleicht Deine schönste Erfahrung?

 

Anne de Wolff: Es fällt mir echt total schwer, da irgendetwas herauszuheben. Es ist eigentlich jedes Mal wieder spannend und herausfordernd. Die erste Band, mit der ich damals getourt habe, Poems for Laila, das war wie in einer Vorabendserie, weil ich die vorher viel gehört habe. Ich hatte seinerzeit eine Annonce in die Zeitung gesetzt und schrieb: ‚Ich stelle mich zur Verfügung‘ (und nicht ‚Ich suche‘, einfach um es cool klingen zu lassen). Und dann rief Nikolai Tomás, der Sänger von Poems for Laila, an. Ich habe so gezittert am Telefon, dachte, ‚Das läuft den ganzen Tag in meiner Kneipe, und ich habe alle Platten‘, das kann nicht sein, dass ausgerechnet der jetzt eine Geigerin sucht. Das war halt so ein ganz krasser Moment, genauso wie die Anfangsgeschichte mit BAP. Johannes Oerding kennen wir auch schon ganz lange, er hat sogar auf unsere Hochzeit gespielt, war auch schon bei uns im Studio. Was auch sehr besonders war, ist meine begegnung mit der Band Calexico aus Arizona. Ich habe bei ein paar Konzerten in Deutschland Geige gespielt, bin später zu ihnen nach Tuscon geflogen und habe dort auf verschiedenen Produktionen „als kleine deutsche Geigerin“ gespielt. Ich dachte, ‚Jetzt stehe ich hier im Studio in der Wüste, und es hängen irgendwelche Platten an der Wand, die ich zu Hause hab‘. Das war wie ein Traum. Die Konzerte mit Bosse – als Gast immer wieder über einen langen Zeitraum - waren auch toll. Da sind so Momente, wo ich denke, Wahnsinn, das hätte ich mir nie erträumen lassen‘.

rockfrank: Wir sind eine Generation, die ohne Handy, Internet und Social Media aufgewachsen ist, hatten einen Kassettenrecorder oder im besten Fall einen Stereo-Anlage mit Plattenspieler zu Hause. Welche Rolle spielen heute die sozialen Medien für Deine Karriere? Geht es überhaupt noch ohne YouTube, Instagram oder Facebook?

 

Anne de Wolff: Für mich als einzelne „Mitmusikerin“ ginge es vielleicht ohne. Ich habe meine Kanäle, auch das Studio, welches ich mit meinem Mann Ulle betreibe, ist auf Social Media zu finden. Wir nutzen es wie eine kleine Wandzeitung. Vielleicht würde es bei uns nach all der Zeit im Musikgeschäft aber sicher auch ohne funktionieren. Der Musiker-Innen-Freundeskreis ist mittlerweile so groß, dass man sich einfach kennt und gefragt wird. Z.B. Reiner „Kallas“ Hubert, ein unfassbar guter Schlagzeuger aus Hamburg, er spielt bei Pohlmann, bei Cäthe , bei Mark Forster und anderen, der macht gar kein Social Media, hat keine eigene Internetpräsenz und hat trotzdem mehr als genügend Jobs. Aber ich glaube, für Bands, die sich gründen, ich merke das jetzt bei meiner Mädchen-Band, dem Joni Project, da ist es ganz wichtig, dass man diese Kanäle pflegt und regelmäßig Sachen postet. Es eine Chance und es ist ein Fluch zugleich. Einerseits die Möglichkeit, sein Schaffen zu präsentieren und zu verbreiten, sich aber andererseits nicht irgendwie rein zu verlieren in diesen „Online-Irrsinn“. Junge Bands müssen sich bewusst sein, dass sie auch einen Teil der Plattenfirmen-Jobs übernehmen, die Promotionsarbeit, die sie so selbst zusätzlich machen, obwohl sie sich eigentlich aufs künstlerische konzentrieren möchten und sollten. Es ist wichtig, hier eine gute Balance zu finden. Es ist sicher sehr hilfreich, sich hier, sobald es irgendwie möglich ist, professionelle Unterstützung/Hilfe zu holen.

 

rockfrank: Welchen Rat würdest Du also jungen Künstlern geben, die heutzutage gerne ins Musikgeschäft einsteigen würden? Die sind ja quasi auf Social Media angewiesen.

 

Anne de Wolff: Ich glaube schon, dass die meisten das irgendwie betreiben müssen. Ich denke, da gibt es auch noch gar keine richtige Lösung. Alles passiert gerade so schnell, verändert sich immer schneller durch die Geschwindigkeit der Digitalisierung. Es ist wichtig, sich abgrenzen zu können und nicht nur die Bestätigung über diese Netzwerke zu suchen, sondern es wirklich als Tool zu betrachten. Gerade habe ich einen guten Podcast von Judith Holofernes über „mental health“ und die Gefahren für Musiker wie Burnout oder psychische Krankheiten. Dessen soll man sich bewusst sein. Ich würde allen MusikerInnen raten, sich diesen Podcast mal anzuhören.

 

rockfrank: Standest Du schon einmal vor einer musikalischen Herausforderung, die Du nicht sofort umsetzen/lösen konntest? Wie hast Du reagiert?

 

Anne de Wolff: Oh ja… Ich wurde mal gebucht für eine Streicher-Session für Tim Bendzko. Ich saß im Studio, habe Noten bekommen und wusste einfach, ich bin dem nicht gewachsen.

Ich habe dann zu Hagen Kuhr, einem großartigen Cellisten und in diesem Fall Streicher-Musical-Director, gesagt: ‚Hagen, ich will das Geld nicht, oder gib mir weniger. Ich spiel die Basics von der zweiten Geige mit, aber das andere, da müsst Ihr sehen, ob Ihr das overdubbed mit irgendjemandem, der das besser kann‘. Das sind sehr unangenehme Momente, und man hat tatsächlich bei neuen Anfragen immer wieder Respekt, dass man die Erwartungen hoffentlich erfüllen kann. Es ist der berühmte Scharlatan-Komplex, den viele Musiker haben. Den habe ich durch die Vielfalt der Instrumente, die ich aber alle nicht perfekt spiele, ganz besonders.

 

rockfrank: Was würdest Du heute studieren, wenn Du nochmal die Möglichkeit dazu hättest?

 

Anne de Wolff: Ich hatte Kunstgeschichte -und Theaterwissenschaften begonnen zu studieren. Ich bin aber eine sehr soziale, eher praktisch veranlagte Person und es fällt mir viel leichter, mit direktem Bezug und unter Menschen zu lernen. Ich fand es immer sehr anstrengend, in Vorlesungen zu sitzen. Auf Deine Frage bezogen, ich glaube, ich würde gar nicht nochmal studieren. Wenn ich nicht Musik machen dürfte, denn das finde ich nach wie vor einen der erstrebenswertesten Berufe, die ich mir vorstellen kann, weil es so eine tolle Community ist und weil man so viel Freude schenken kann, würde ich irgendwas Soziales machen, mit Menschen arbeiten.

 

photo by: rockfrank

rockfrank: Du bist, gemeinsam mit Deinem Mann, Ulrich Rode, seit 2014 fester Bestandteil von BAP. Alles begann mit der gemeinsamen Affinität von Wolfgang Niedecken und Dir zu Bob Dylan, die ihr auf einem Backstage-Parkplatz nach einem gemeinsamen Konzertbesuch einer anderen Band entdeckt habt. Welchen künstlerischen Mehrwert hat die Zusammenarbeit mit der Band für Dich aus heutiger Sicht?

 

Anne de Wolff: Ich habe in allen Bereichen total viel gelernt, auch im menschlichen. Ich bin dankbar, dass Wolfgang Niedecken ein wirklich guter Chef ist, der seinen MusikerInnen ganz, ganz viele Freiheiten lässt. Man kann musikalisch kreativ sein, es ist viel Raum für Instrumentalparts und jeder Abend ist ein bisschen anders. Das gibt es in der Form nicht in vielen Bands, dass man so beweglich sein kann, so viel Raum für Musik hat wie bei BAP. Während der Produktionen der letzten Alben, die ich mit Ulle zusammen machen konnte, habe ich sehr viel gelernt. Ich war früher eher eng im Kopf, ängstlich, dass z.B. irgendwas uncool sein könnte. Doch in dieser Arbeit an den BAP-Alben und auch mit den dabei integrierten großartigen Musikern verschiedener Generationen habe ich gelernt, wieviel wertvolle Arbeit von jedem einzelnen da eingestreut wird, damit es ein Ganzes wird, ein besonderes Stück Musik, wo sich im besten Fall auch jeder wiederfindet. Da habe ich mich als Person an vielen Stellen weiterentwickeln dürfen. konnte Dinge probieren, brauchte nicht immer Sorge zu haben, dass irgend etwas falsch ist. Man muss nicht unbedingt „cool“ sein! Nicht irgendjemandem gefallen.

 

Viele Menschen haben eine Geschichte mit BAP, diese Band bietet für viele eine Art Soundtrack ihres Lebens. Das Publikum begleitet die Band schon viel länger als ich und hat so viele intensive Erfahrungen mit ihr gemacht. Wir haben die schöne Aufgabe, dieses Gefühl zu begleiten. Mit Respekt für die Songs und der Möglichkeit, diesen mit dem eigenen Sound dieser Besetzung zu finden, die ja mittlerweile auch immerhin schon seit 8 Jahren so zusammen spielt. Plus der Bläser, die etwas später dazu kamen.

 

rockfrank: Du hast 2021, zusammen mit zwei befreundeten Singer/Songwriter-Kolleginnen, Iris Romen und Stefanie Hempel, „The Joni-Project“ ins Leben gerufen, mit welchem Ihr die große Tonkünstlerin aus Kanada würdigt. Im speziellen habt Ihr Euch dem grandiosen Album „Blue“ gewidmet. Wie kam es zu der Idee und der großartigen Zusammenarbeit an diesem Projekt?

 

Anne de Wolff: Es war Stefanie Hempels Idee. Sie ist Beatles Spezialistin, ein riesiger Musikfan und eine der am besten über Musikgeschichte wissendsten Personen, die ich kenne. Eine leidenschaftliche Musikhörerin. Sie saß zu Corona-Zeiten zu Hause (man muss sagen, bei Corona ist ganz, ganz viel passiert, so schlimm die Zeit auch war für uns. Es gab viele gute Dinge, die nur so die Chance hatten, neu zu entstehen). Jedenfalls hat sich Steffi überlegt, sie würde gerne das Album „Blue“, welches 1971 erschien und dato sein 50-jähriges Jubiläum hatte, aufführen. Und weil Joni Mitchell damals eine so besondere Frau war, die in der Männer dominierten Musikwelt ihren „Mann“ - ihre Frau - stehen musste, wollte Stefanie es auch sehr gern nur mit Frauen spielen. Iris Romen kannte sie bereits aus den sozialen Netzwerken und war von ihrer Stimmfärbung begeistert. Stefanie und ich kannten uns schon aus Hamburg, wir haben uns hier und da mal gesehen und grgüßt, mehr aber nicht. Stefanie hat dann Iris gefragt, welche mit holländischem Dialekt - „Ich bekomme eine Gänsehaut am ganzen Körper „ - antwortete und sofort zusagte. Iris rief dann mich an und, die Sache nahm ihren Lauf. Ich habe allergrößte Hochachtung vor Joni Mitchell. Was für eine vielfältige, genre-übergreifende Musikerin.

 

Im Herbst werden wir unsere Version von „Blue“ auf Vinyl, CD und digital veröffentlichen. Live spielen wir mitllerweile schon andere Lieder von Joni Mitchell als nur das „Blue“ Album. Es macht unglaublich Spaß. Wir singen viel dreistimmig, was den harmonischen Zugang oft etwas erleichtert, wie uns bescheinigt wird. Und wir haben 16 Instrumente auf der Bühne – alle sind auch Multiinstrumentalistinnen. Es ist ein richtiges Ereignis!

 

rockfrank: Die letzte Frage bezieht sich auf Deinen persönlichen Musikgeschmack: Welche Musik würde bei Deiner Einweihungsparty in eine neue Wohnung laufen?

 

Anne de Wolff: Ich würde unseren BAP-Schlagzeuger Sönke Reich um eine Playlist bitten. Er macht nachts in unserem Nightliner schon mal gerne den DJ und stellt sehr, sehr gute Songs zusammen. Ansonsten höre ich gerne Indie-Musik wie Calexico und Bilderbuch. Mein Sohn, Jacob de Wolff macht auch Musik - ganz coole Remix Sachen, wenn es mal etwas dancinger werden soll.

 

 

IIch danke Dir für das Gespräch und wünsche Dir für Deine musikalische sowie persönliche Zukunft alles Gute.