rockfrank: Chris, was waren Deine Beweggründe, Musiker zu werden und welche Bands oder Sänger waren Deine Vorbilder?
Chris Kramer: Den Blues entdeckt habe ich so mit 13, aber selbst Musik gemacht habe ich erst sehr spät, so mit 18
Jahren. Dann hat es mich aber erfüllt und ich bin nie ohne Mundharmonika aus dem Haus gegangen und habe 6-7 Stunden am Tag gespielt und bin dann immer besser geworden. Ein Vorbild so in allem war
Luther Allison, der auf der Bühne alles gegeben hat und seine Seele geöffnet hat, um für das Publikum zu spielen. Das hat mich berührt und den Wunsch in mir reifen lassen, nicht nur in diesen
Momenten vor der Bühne alles zu genießen und in mich aufzusaugen, sondern eines Tages auch selbst auf der Bühne zu stehen. Grundsätzlich stellt sich ja für jeden die Frage im Leben, was kann ich
besonders gut, was macht mich glücklich. Beim Musikmachen kam bei mir beides zusammen. Als ich 1994 mit 24 Jahren meinen Job im Büro an den Nagel gehängt habe um Musiker zu werden, fanden das viele
mutig, andere haben mich für verrückt erklärt, aber ich fand mich gar nicht mutig, weil ich meinen Herzen gefolgt bin und mein Hobby zum Beruf gemacht habe und jeden Morgen glücklich voller
Tatendrang wach geworden bin, um für mich und meinem Traum zu arbeiten und alles zu geben.
rockfrank: Du bist jetzt bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert im Musikbusiness tätig und giltst als Deutschlands bester Blues-Harp Spieler. Des Weiteren bist Du Sänger, Gitarrist,
Songwriter, hast musikalische Projekte mit Abi Wallenstein und Beatbox 'n‘ Blues, bist Buchautor, Workshop-Dozent, hast einen Musikverlag mit
Angestellten und bist Stiftungsgründer, worauf ich später noch einmal zu sprechen komme. Wie ist Deine emotionale Gewichtung bei so vielen Rollen; in welcher fühlst Du Dich am
wohlsten?
Chris Kramer: Mit Blues Ikone Abi
Walleinstein zusammenspielen zu dürfen, ist natürlich eine ganz besondere Ehre, beim ersten Konzert hatte ich sogar eine Träne verdrückt, weil es mich so übermannt hatte. Aber grundsätzlich
ist die Frage unmöglich zu beantworten, das wäre so, als würde man fragen, welches deiner fünf Kinder liebst du am meisten? Ich habe in den letzten 30 Jahren immer wieder auch mal mit mir gehadert,
weil ich mich ab und an verzettelt habe und erkennen musste das 5 x 20% nicht 100% sind und an der ein oder anderen Stelle weniger ganz sicher mehr gewesen wäre. Andererseits war ich auch natürlich
immer stolz, wie Workaholics es eben sind, schaut mal was ich alles auf die Beine stelle. Die vielseitigen Tätigkeitsfelder machen mein Leben bunt und halten einen Geist
wach.
rockfrank: Was möchtest Du mit Deiner Musik beim Hörer bewirken?
Chris Kramer: Ich möchte unterhalten, 2 Stunden eine gute Zeit geben und wenn ich den ein oder anderen sinnstiftenden Gedanken auf die Reise schicken kann und
das Gefühl habe, auch damit jemanden zu berühren, bin auch ich glücklich.
rockfrank: Was denkst Du, welche Kraft hat Bluesmusik?
Chris Kramer: Blues hat die Kraft
die Seelen der Menschen zu berühren und zu heilen oder mindestens Schmerz zu lindern. Wenn ich gute Bluesmusik höre oder selbst mache, fühle ich mich anschließend immer besser als vorher. Aber der
Blues ist nicht nur etwas Trauriges, sondern auch etwas Erotisches, das Menschen zusammenbringt. Denk nur an einen gut gespielten Shuffle Rhythmus, das ist ein Groove, der die Hüften in Bewegung
bringt und ein Lächeln in dein Gesicht zaubert. Kurzum, jeder mag den Blues, die meisten wissen es nur nicht.
rockfrank: Was würdest Du Deinem jüngerem Ich aus heutiger Sicht für den Einstieg
ins Musikbusiness mit auf den Weg geben?
Chris Kramer: Dass ich so viele Ideen habe, die mir durch den Kopf geistern ist Segen und Fluch zugleich, ich wäre definitiv erfolgreicher, wenn ich früher mehr
Schwerpunkte gesetzt hätte und mich darauf fokussiert hätte. Sich selbst auszuprobieren und all seinen Ideen nachzugehen ist das eine, sich erfolgreich zu vermarkten das
andere.
rockfrank: 2012 hast Du die gemeinnützige "Chris Kramer Stiftung“ ins Leben gerufen, durch jene Du Kinder und Jugendliche musikalisch förderst. Wie wird dieses Angebot an -und
aufgenommen bei den jungen Menschen?
Chris Kramer: Die Arbeit gibt mir neben dem R`N`R eine Sinnebene im Leben. Noch nie habe ich eine Stimme gehört, die sagte das finde ich aber nicht gut, dass Du
Kinder und Jugendliche an die Musik führst. Und wenn wir von den 5-6 verschiedenen Projekten das Musical mit Kindern umsetzen sind immer alle überall jedes Mal glücklich und alle spüren die Energie –
das kann ich nicht von allem anderen sagen, was ich mache. Der organisatorische Weg dahin, ist dann pure Arbeit, das ist die andere Seite der Medaille.
rockfrank: Ich habe dich 2016 in Köln zusammen mit Warren Haynes, im Rahmen seiner damaligen "Ashes & Dust -Tour", gemeinsam auf der Bühne gesehen. Du hast
den letzten Zugaben Song „Two of a kind“ zusammen mit ihm performt. Wie kam es zu dem gemeinsamen Auftritt?
Chris Kramer: Irgendwann hat mich ein Freund angerufen der Besuch aus den USA hatte und fragte, ob ich zuhause wäre und Lust hätte ein Bier zu trinken. Nachdem ich
beides mit ja beantworten konnte, hat es an der Tür geklingelt und mein Kumpel stand da mit einem Medienpromoter, der unter anderem Warren Haynes vertreten hat. Nachdem der mein
Dobros gesehen hat und ich ihm was vorgespielt habe, natürlich auch auf der Mundharmonika, fragte er mich, ob ich mit Warren spielen möchte, der war zwei Tage später in der
Bluesgarage in Isernhagen. Ich wurde ihm vorgestellt und beim Soundcheck standen wir dann gemeinsam auf der Bühne und Warren Haynes, der Warren Haynes, einer meiner
ganz großen Helden fing an zu singen und ich stand vor der Monitorbox und habe diesen Moment ganz bewusst genießen können. Ich habe mich so gefühlt, wie damals als Kind im Sommerurlaub in Holland wo
die Nordseewellen mich umspült haben. So habe ich seine Stimme und natürlich den ganzen Bandsound von Gov`t Mule in mich aufsaugen können und ich gebe unumwunden zu, dass mir die
privilegierte Position direkt vor dem Monitor bewusst war und dass ich das wirklich genossen habe. Es war dann geplant einen Song mitzuspielen, der hat Warren so gut gefallen, dass
ich auch die beiden Zugaben mitspielen durfte. Da bin ich als überglücklicher Mensch nach Hause gefahren, auch weil mir gesagt wurde ich darf jederzeit wiederkommen. Dazu kam es dann 2016 in Köln, wo
du mich gesehen hast.
rockfrank: Zurückblickend auf deine musikalische Biografie:
In welchem Zeitraum hast du dich am stärksten entwickelt/perfektioniert?
Chris Kramer: Als ich 2008 sehr großen Erfolg mit meinem Musikverlag hatte und die 60-80 Workshops pro Jahr an VHS gestoppt habe, um mich nur noch auf das
Selberspielen zu konzentrieren habe ich einen Sprung nach vorne gemacht. Das war sicher ein messbarer Zeitraum, in dem sich viel getan hat. 2010 hat mich Peter Maffay dann das erste
Mal gebucht und mit auf Tour genommen, das war auch ein echt großes Ereignis in meinem Leben, wo ich auch viel musikalischen Input aufsaugen konnte. Aber grundsätzlich gilt, dass man immer, wenn man
sich mit Musik auseinandersetzt, etwas lernt, und sei es das man in den Spiegel des eigenen Unvermögens schaut und erkennt dass Musikmachen wie zum Horizont laufen ist, eine Reise, die niemals
endet!
rockfrank: Chris, welches sind Deine nächsten musikalischen Projekte?
Chris Kramer: Chris
Kramer & Beatbox`n`Blues ist nach wie vor meine Band, da stehen Kevins atemberaubende Beatboxkünsten und die Killerrockgitarre von Sean gleichberechtigt
im Wechsel mit mir im Vordergrund. Beim Chris Kramer Duo bin ich alleiniger Sänger und meine Mundharmonika steht im Vordergrund. Hier habe ich ein Projekt ins Leben gerufen, um mich
als guter Mundharmonikaspieler zu präsentieren und da auszuloten, wozu ich in der Lage bin. Die Doppel LP dazu heißt "Roots Music", was ein passender Titel ist, denn irgendwie
schließt sich ein Kreis und ich bin da wieder an meinen Wurzeln angekommen.
rockfrank: Ich danke Dir für dieses Interview und wünsche Dir für die Zukunft alles Gute.