rock will never die
   rock will never die

Neil Young

03.07.2019

Berlin

Europe Summer Tour 2019

 

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"It's better to burn out than to fade away". Diese Zeilen schrieb Kurt Cobain anno 1994 in seinem Abschiedsbrief, bevor er sich das Leben nahm. Jene Textzeile aus Young`s 1979 Ode an den Rock `n` roll „My my, hey hey“, machte sich der Künstler selbst zu Eigen, und schuf mit jenem Song die Grundlage für seinen weiteren musikalischen Werdegang; Weitermachen statt zu verrosten. Und das tut er bis heute unermüdlich. Jahr für Jahr kontinuierliche Albumveröffentlichungen, Buchveröffentlichungen, Tourneen, Filmmusiken. 2019 war es dann wieder soweit. Neil Young gastierte zusammen mit seiner jungen Begleitband „The Promise Of The Real“ in der deutschen Hauptstadt Berlin. Ort des Geschehens – die Waldbühne. Rund 22.000 Zuschauer erfasst das Rund der Bühne, welche 2003 auch eine Überdachung in Form einer Zeltkonstruktion erhielt. Und genau hier sollte der kanadische Musiker am 03.07.2019 die Metropole zerlegen. Rein musikalisch gesehen. Tatsächlich wurde das geschichtsträchtige Rund quasi schon mal mehr oder weniger von den Rolling Stones und ihren Fans demontiert, als jene im September 1965 hier ihren Auftritt absolvierten. Gut, die Zeiten sind vorbei, Künstler und Zuschauer älter und weiser, heuer belässt man es beim musikalischen Akt, und das ist auch gut so. Dass Neil Young ausgerechnet in Berlin spielt hat sicherlich auch eine politische Brisanz, denn der Singer-Songwriter ist alles andere als unpolitisch und verschafft sich durch seine Texte regelmäßig Luft. Dass das Zentrum der (Ohn)Macht nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt lag, ist natürlich reiner Zufall. Berlin zeigte sich an jenem Sommertag wie immer von zwei Seiten. Trügerische Staatskunst auf der einen Seite, offene und freundliche Menschen auf den Straßen der Stadt, die andere.

Bereits gegen 14 Uhr tummelten sich die ersten Fans vor den Eingängen des Veranstaltungsgeländes. Die Waldbühne öffnete um kurz vor 17 Uhr ihre Eingangspforten, infolgedessen zahlreiche wartende Fans ins Innere des Rundes strömten.

 

 

The Promise Of The Real“, Neil Young`s Begleitband, bestehend neben dem Sohn der Country-Legende Willie Nelson, Lukas Nelson, aus Anthony LoGerfo, Tato Melgar, Corey McCormick und Logan Metz. Die Gründung der Band erfolgte bereits im Jahr 2008 und  brachte bis dato 5 eigene Alben auf den Weg. Die Kollaboration mit Young brachte dann zwei weitere Longplayer hervor („The monsanto years“ (2015) und „The visitor (2017). Bevor Neil bereits dieses Jahr wieder mit seiner Stammband, „The crazy horses“ arbeiten wird, gönnte man sich vorher noch eine ausgiebige Tour durch die U.S.A., Kanada und Europa. Somit hieß es am 03.07. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin !". Und jenes Konzert in der Waldbühne barg etwas ganz Besonderes. Es brodelte voll Energie in der Arena, Künstler und Band zeigten sich in Höchstform und hatten so einige Überraschungen am Start. Zunächst sollte aber ein Support auf die Bühne kommen, welcher die Masse schon einmal einstimmen sollte. Bear`s Den ist eine 2012 gegründete Indie-Rockband aus England, die sauberen Folkrock präsentierten und vom Publikum mit entsprechenden Beifallsapplikationen gehuldigt wurden.

 

 

Abseits des Schauplatzes der Massentauglichkeit bei solchen Großveranstaltungen erleben wir bei Künstlern wie Neil Young noch authentisches, rustikales Handwerk. Und davon konnte man sich bei seinem Konzert in der Waldbühne mehr als überzeugen. Weiß man auch nie so recht, welches Programm die jeweilige Setliste hergibt, umso spannender ist dann der „Augenblick der Wahrheit“. Stellt man sich auf vielleicht nur 8 oder 9 Songs ein, die dafür aber lange, ausufernde Jams beinhalten, erlebt man eventuell ein vollgepacktes Set reichhaltiger Songs quer durch sein Schaffen. So geschehen an jenem Sommertag in Berlin. Young & the promise of the real eröffneten um 19.35 Uhr vor gut 20.000 Zuschauern einen Zauber aus über 2 Stunden Young Pur bis hinein in den späten Sonnenuntergang. Und wir erlebten akustische Exzesse vom Feinsten! Mit gleich 3 Songs aus dem 1990`er Neil Young & Crazy Horses Album „Ragged Glory“ sorgte man für die erste Überraschung. „Country home“ aus dieser LP eröffnete den Konzertreigen, und mit dem in weiteren Verlauf folgenden „Over and over“ vom gleichen Longplayer setzte man aufgrund der Seltenheit der Livepräsenz einen ersten Höhepunkt. Ein gut gelaunter Neil Young spielte sich im schwarz-weiß karierten Hemd locker durch die Setlist, und hatte sichtliche Kommunikationsfreunde mit seiner Band. Lukas Nelson war ein perfekter Zuspieler für Young und dürfte ein stolzes Bild für Papa Willie in den Staaten abgeben.

 

 

Mit „Helpless“ (CSNY), Old man“, Heart of gold“, „Mr. Soul“ (Buffalo Springfield) und „Hey hey, my my“ bot man reichlich Klassiker dar, sei es aus seiner Solokarriere oder aus seinen zahlreichen Band-Kollaborationen, die die Fans mit standing ovations huldigten. Gerade bei letzterem saß keiner mehr auf seinem Bänkchen. Es herrschte eine gelöste Rock `n` roll Aura im Rund des denkwürdigen Amphitbaus. Selbstredend gab es auch einen akustischen Teil, in welchem Young und POTR eine wunderbare Atmosphäre schafften und bewiesen, wie gut sie miteinander harmonieren. „Field of opportunity“ wurde hier zum Besten gegeben, welches als weitere Überraschung zu deuten war, denn den Song von seinem 1976`er Album „Comes a time“, hat er meines Wissens (und auch nach Recherche) bisher noch nie auf deutschen Boden angeschlagen. Es war bis dahin ein perfekter Abend. Nur mit der Wortkargheit des Protagonisten musste man sich arrangieren. Immerhin schaffte er eingangs ein „Einen netten Ort habt ihr hier“.

 

 

Zum unvermeidlichen Finale setzte man dann mit „Love and only love" an (bereits dass 3. Stück an diesem Abend vom „Ragged glory“ Album), welches über 10 Minuten zelebriert wurde. Noch bevor sich das Publikum ob der Begeisterungsstürme „beruhigen“ konnte, setzte man auf der Bühne nahtlos in „Rockin´ in the free world“ über, jene Hymne, die zum ultimativen Höhepunkt ausarten sollte. Mit nahezu kinetischer Energie hatte man Bühne und Publikum in seinen Bann gezogen und wollte nicht aufhören, den Refrain in den Berliner Nachthimmel zu schreien, vielleicht in der Hoffnung, dass man im Bundeskanzleramt nicht mehr schlafen konnte...... In einem Anfall von Selbstironie simulierte Young das zerschmettern seiner Gitarre, nachdem ihm vorher einige Saiten gerissen waren. Anschließend benutzt er sie als Gehstock/Krücke, vielleicht um seine Aussage in „Old man“ zu unterstreichen. Die Fans jedenfalls dankten ihm seine Showeinlage mit nicht enden wollenden Beifallsbekundungen. Währenddessen wurde man nicht müde, noch mal und noch mal den Refrain von „Rockin´ in the free world“ anzuschlagen. Es war ein gigantisches Finale. Lukas Nelson verletzte sich  bei jener turbulenten „Zerlegung“ sogar am Kopf, als er hinfiel und ihm sein Arbeitsgerät auf den selbigen fiel. Infolgedessen trat er 2 Tage später beim nächsten Gig in Mannheim mit einem weißen Fahrradhelm auf….. That`s Rock `n` roll !!!!

 

 

Dass man die Band nicht ohne Zugabe in die Nacht entließ ist selbstredend, und so präsentierte man noch das atmosphärische „Roll another number“ sowie „Piece of crap“.

Ein magischer Abend ging dem Ende entgegen, Band und Fans hochzufrieden. Neil Young gehört noch lange nicht zum „alten Eisen“ und bewies, dass man auch in Zukunft rechnen muss. Zum Glück!

 

 

 

rockin` in a free world,


 


 

rockfrank