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Ich traf Österreichs gefragtesten Gitarristen, Reinhard Stranzinger, in Wien,
zu einem ausgiebigem Interview, in jenem er von seiner Karriere erzählt,
der Musikszene im Allgemeinen und aktueller Projekte.
rockfrank: Reinhard, Du hast Dir, wenn ich richtig recherchiert habe, mit 15 Jahren die erste Gitarre gekauft. Eigentlich hast Du eine Zimmererlehre gemacht, wie kamst Du letztendlich zur Musik?
Reinhard Stranzinger: Die Musik war ja eigentlich schon immer da. Meine Eltern waren sehr musikalisch. Mein Vater war Sänger, hat Opern/Operetten gesungen. Und meine Mutter ist Steirerin, die haben Musik im Blut. Das ist wie bei den Iren und Schotten, das ist halt keltisch (*lacht*). Und ich hab` das immer einfach aufgesogen. Unser altes Röhrenradio mit dem magnetischen Auge hat uns mit Musik jeglicher Richtung versorgt. Jeden Sonntagvormittag habe ich Klassik gehört. Und diese klassische Gehörbildung, die ist halt drin in mir (Tonleiter etc.). Ich habe dafür ein Gedächtnis entwickelt. Musikalisch ging es eigentlich für mich erst mit 14,15 Jahren in der Schule los, wo dann die ersten Schalllplatten von diversen englischen und amerikanischen Rockbands auftauchten. Einer meiner großen Heroes war Alvin Lee von Ten Years After. Er war der Großmeister für mich, gefolgt von Rory Gallagher, Johnny Winter, Joe Walsh, Gary Moore. Gary Moore hat mich mein ganzes Leben begleitet. Dazu gibt es eine lustige Anekdote:
1978 habe ich in Wien einen Bekannten besucht. Wir hatten eine kleine Party. Ich schaute irgendwann zufällig aus dem Fenster und sah unten auf der Straße irgendwelche Leute vorbeimarschieren. Ich rief hinunter, lud sie ein und sie kamen herauf und feierten mit. Ich habe auf der Party Gitarre gespielt, Rock -und Blues Geschichten. Unter den Leuten war eine Frau, welche (wie sich herausstellte) die Frau vom Manager von Gary Moore war. Sie sagte zu mir, Du musst nach Irland kommen, Du musst Gary Moore kennenlernen, Du musst da drüben spielen. Sie hat mir eine Adresse gegeben, ich bin aber nie rübergefahren. Warum? Weil mein Englisch nicht gut genug war……
So ist das halt losgegangen. Mit 15 Jahren habe ich meine erste Gitarre von meinem Lehrgeld gekauft. Eine 335er Höfner. Leider habe ich sie irgendwann verkauft. Das ärgert mich heute noch.
rockfrank: Welches waren Deine wichtigsten musikalischen Vorbilder?
Reinhard Stranzinger: Praktisch alles, was damals in dieser Zeit Rock -und Bluesgitarrentechnisch da war, war natürlich interessant. Der erste große, der mich wirklich inspiriert hat, war Alvin Lee. Wir haben eine ähnliche Optik gehabt, diese langen blonden Haare, er war ein geiler Typ und seine 335er Gibson Gitarre dazu.
rockfrank: Was macht dieses Instrument (E-Gitarre) so besonders für Dich?
Reinhard Stranzinger: Eigentlich habe ich mit Schlagzeug angefangen. Aber nachdem ich diese musikalische Unabhängigkeit, die ich mit der Gitarre habe, damit nicht erreichen konnte, habe ich mir gedacht, es geht zwar, ich kann gewisse Sachen spielen, aber das, was ich selber gerne spielen möchte, geht sich damit nicht aus. Und irgendwann ist dann die Gitarre gekommen und die hat mich mehr fasziniert als die Rhythmen. Wobei ich mich in meiner Zeit vor einigen Jahren als Musik-Therapeut wieder den Trommeln gewidmet habe. Aber die Gitarre selbst ist natürlich das Instrument des Universums.
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rockfrank: Welche Umstände oder Personen inspirieren Dich beim Komponieren?
Reinhard Stranzinger: Ganz verschieden. Es kann ein Film sein, eine Szene, eine Landschaft. Eine Inspiration war für mich auch Roger Chapman und sein großartiger Gitarrist, Geoff Whitehorn (<Zitat G. Whitehorn: “Two beers or not two beers, that is the question“ *lacht*). Da fällt mir dann manchmal was ein. Zum Beispiel mein Song „Die Sunn“, ist eigentlich in Kalifornien entstanden. Es war am Strand, ein Wahnsinns- Flair.
Du denkst Dir, hier muss Jim Morrison seine Lieder geschrieben haben.
rockfrank: Welche Rolle spielt Politik in Deiner Musik? Du warst Mitglied bei Drahdiwaberl, die ja auch in gewissem Sinne eine politische Band waren und wenn ich an Deinen Song „Voda“, denke, wo es um immer wieder aufkommenden Rechtsradikalismus geht, sehe ich Dich irgendwo schon in einer Rolle, die sich auch mit politischen Themen auseinandersetzt?!
Reinhard Stranzinger: Sozial-kritisch ja, politisch, hmm? Bei „Voda“ war das Politische angedeutet. Man muss sich distanzieren wenn man aus Braunau kommt. Aber nochmal, Sozial-kritisch, nicht politisch. Wenn man Dinge sieht und sagt, das ist nicht in Ordnung, aber das (andere) ist auch nicht in Ordnung, ist man deshalb automatisch Rechts oder Links? Diese Schubladisierung gefällt mir nicht, sie ist zu einseitig. Das Wichtigste ist, und das ist mein Credo, miteinander Reden und der Hausverstand muss Einem sagen, `stimmt das noch, oder stimmt das nicht mehr´.
rockfrank: Welche Rolle spielen die sozialen Medien für Deine Karriere? CD-Verkäufe sind seit Jahren rückläufig, die Schallplatte hat zwar wieder Aufwind bekommen, aber niemand der „klassischen“ Medien kann letztendlich den Streamingdiensten das Wasser reichen und die jungen Leute sind davon völlig eingenommen.
Reinhard Stranzinger: Ich habe mich eigentlich damit zu wenig auseinandergesetzt. Ich bin ja auch noch die Generation, die CDs und Schallplatten hört. Auf allen sozialen Medien präsent zu sein kostet Zeit und Geld. Du musst die richtigen Leute am Start haben. Ich arbeite z.B. gerade an einem neuen Album. Zunächst sind wir noch bei den Demos, also Lieder und Texte schreiben. Und da will ich so 10, 15 Songs zusammenbringen. Ein guter Freund sagte zu mir, dass es keinen Sinn mehr macht, wenn ich eine CD veröffentliche. Ich sollte die einzelnen Songs besser bei diversen (online) Anbietern veröffentlichen. Aber das ist mit meinen 60 Jahren einfach nicht mein Ding, na ja, schauen wir ‘mal.
Anmerkung C.J. ccc:
Die Art Musik zu konsumieren hat sich radikal verändert. Wenn mir ein Schüler einen Song vorspielt und ich ihn 3 Wochen später frage `hörst Du das noch?´, sagt er `nein, ich habe schon wieder etwas anderes´. Und ich frage ´aber wenn Dir dieser Song gefallen hat, hast Du nachgeschaut, was der Künstler oder die Band denn noch so alles gemacht hat ?´ Nein, das interessiert ihn gar nicht…
Es ist wie Gummibären oder Popcorn essen. 3 Wochen später ist schon wieder etwas anderes interessant. Normalerweise beschäftigt man sich doch mit der Band oder dem Künstler, was er sonst so macht, aber das ist absolut nicht mehr bei den Jugendlichen so, dass interessiert sie nicht. Sie schauen nur, „What`s the next big thing”.
rockfrank: Wenn man so die Riege der Künstler sieht, mit denen Du entweder zusammengearbeitet hast oder bei denen ihr mit STRANZINGER Support wart, könnte manch ein Musiker schon neidisch werden; Gitarrist bei ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG (EAV), Hubert von Goisern & Die Original Alpinkatzen, Supermax, Drahdiwaberl; Support für Uriah Heep, Status Quo, John Mayall & The Bluesbreakers, Eric Burdon, Deep Purple, Toto und Zucchero, um nur einige zu nennen. Blickst Du da mit ein wenig Wehmut zurück oder bist Du einfach nur mächtig stolz?
Reinhard Stranzinger: Nein, Wehmut auf keinen Fall. Stolz ja, ich habe das ja gemacht. Aber in Zeiten wie diesen ist der Ruhm noch schneller vergänglich als früher. Man kann sich natürlich darauf berufen und es gibt Leute, die sagen `Ah, Du warst der Gitarrist`.
(Reinhard berichtet besonders positiv und ausführlich über John Mayall und Status Quo)
rockfrank: Vor wenigen Tagen, um nochmal bei Deep Purple zu bleiben, am 12.07.2023, war die Combo erneut in der Wiener Stadthalle, wo du damals mit STRANZINGER als Vorband fungiert hast. Warst Du diesmal vielleicht als Fan im Publikum?
Reinhard Stranzinger: Nein, war ich leider nicht. Obwohl ich 2 Freikarten hätte haben können. Ich war bei einer Bandprobe, die ich nicht verschieben konnte.
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rockfrank: „Berühmtheit“, bzw. die Aufmerksamkeit anderer international renommierter Gitarristen, hast Du sicherlich u.a. durch Dein Solo in „Weit weit weg“ erlangt, einem Song von H.v.G. & Den Original Alpinkatzen. Bist Du da nach wie vor ein wenig stolz drauf? Und hast Du die Passage selber komponiert oder stammte sie aus Huberts Schaffen oder von jemand anderem?
Reinhard Stranzinger: Nein, das ist mein eigenes Ding. Wir haben diesen Song gemeinsam zusammengeschraubt. Die Band hat die Arrangements zum Teil mit ihm gemacht (Hubert von Goisern) und er hat gesagt, das will ich oder das will ich nicht. Beim „Hiatamadl“ habe ich die E-Gitarre so beigesteuert, dass sie dieses gewisse Etwas noch gebracht hat. Das Gitarren-Solo von „Weit weit weg“ war ein Meilenstein. Irgendjemand hat mir erzählt, es gibt ein Forum im Internet wo die Leute versuchen mein Gitarrensolo nachzuspielen. Ein pensionierter deutscher Arzt, der in Thailand lebt, hat mich ‘mal konsultiert, ich möge ihm doch die Noten davon schicken. Ich sagte `Noten gibt es keine, aber die Harmonien kann ich Dir sagen´. Es entstand als Hubert und ich den „Blues“ hatten, Liebe, Probleme und ich war zu weit weg von meiner Frau und meinem Sohn. Ich habe das Solo im Geiste schon vor mir gehabt und so habe ich es einfach gespielt, in unserem „Blues“.
rockfrank: Wir haben eben schon kurz drüber gesprochen: Dein letztes Album liegt nun bereits 12 Jahre zurück. Eine CD-Produktion ist mit vielen Kosten, organisatorischen Aufwänden, Sponsoren, einer geeigneten Plattenfirma etc. verbunden. Die Frage nach einer neuen CD will ich daher mit der Frage kompensieren, ob Du denn über die Jahre weiter neue Songs geschrieben hast.
Reinhard Stranzinger: Ja, fortlaufend. Ich mache das immer nach dem Motto, `was kommt, das kommt´. Und es ist jetzt wieder eine Zeit, wo ich konzentrierter Lieder schreibe. Ideen sind immer da. Ich wurde bzw. werde zwischenzeitlich viel gebucht als Gitarrist, aber ich brauche für mein Projekt Zeit und Ruhe. Es wird ein Album aus Vergangenheit und Neuzeit.
rockfrank: Du hast nebenbei Musiktherapien/Workshops für Personengruppen abgehalten, die in irgendeiner Form benachteiligt sind/Probleme hatten. Z.B. ehemalige Drogenabhängige Personen, behinderte und autistische Kinder, Zuwander*innen, Du engagierst Dich also auch auf sozialer Ebene. Für wie wichtig hältst Du solch eine Arbeit?
Reinhard Stranzinger: Ich halte diese Tätigkeit für ausgesprochen wichtig. Leider ist das jedoch u.a. aufgrund von Corona alles schließlich eingestellt worden. Das waren sehr interessante Jahre. Ich lernte viele Menschen aller Altersgruppen kennen. Man muss selbst sehr viel von sich hergeben, Deine Persönlichkeit hineinlegen. Du musst erreichen, dass diese Menschen zu Dir kommen und die Sachen annehmen, die Du ihnen anbietest. Und das ist mir mit großem Erfolg, zu 99 Prozent gelungen. Unterschiedlichste Menschen musizierten plötzlich gemeinsam. Die Benachteiligten sind natürlich noch da. Aber das Problem ist, dass es kein Geld mehr für diese Projekte gibt. Obwohl es, meines Erachtens, ein Schlüssel zur Integration und Sozialisierung wäre! Man bringt Menschen zusammen.
rockfrank: Wo siehst Du die österreichische Musikszene heute? Es gibt viele junge, gute Nachwuchstalente aus dem Bereich Blues/Bluesrock wie Osaka, Norbert Schneider oder Meena Cryle, die ja mittlerweile schon länger im Geschäft sind.
Reinhard Stranzinger: Die Meena kommt aus meiner Heimatstadt. Sie war damals noch mit ihrem Gitarristen Chris Fillmore auch privat zusammen. Dessen Onkel war einer meiner Gitarren-Mentoren.
Es gibt eine Szene in Wien mit einigen Bands oder Künstlern wie die Mojo Blues Band, Axel Zwingenberger, Peter Kern & Band, [Stefan] Kutscher’s Blues Band. Und natürlich the legendary Hans Theessink.
rockfrank: Wenn Du mal einen Blick auf Dein Nachbarland, Deutschland, wirfst, wo siehst Du dort die musikalische Szene, zwischen alteingesessenen Deutschrockern wie Lindenberg, Grönemeyer oder Westernhagen, Industrialrockern wie Rammstein und wirklichen guten Singer-/Songwritern wie Johannes Oerding oder Antje Schomaker.
Reinhard Stranzinger: Von der Rockszene bekomme ich ein bisschen was mit, aber von den ganzen Liedermachern eher nicht. Der Markt ist einfach zu groß. Außerdem bin ich aufgewachsen mit Hannes Wader und Otto (*lacht*). Und Marius Müller Westernhagen habe ich mal einen Verstärker abgekauft. Er hat ihn nach einem Jahr wieder zurückgekauft (zum gleichen Preis), da er einen super Sound hatte.
Reinhard, ich danke Dir für die Zeit und das Interview und wünsche Dir für die Zukunft alles Gute.