rock will never die
   rock will never die

Patti Smith

26.06.2015

Köln

 

"Horses" 40 Tour

 

 

Patti Smith – Punkikone, Lyrikerin, Buchautorin, Literatin, Songwriterin, Malerin. Was hat diese Frau nicht schon alles erreicht, erlebt und durchlebt. „Because the night“ war nur ein kurzer, kommerzieller Erfolg in ihrer Laufbahn, ein Erfolg der eher störend wirkte, betrachtet man ihr Gesamtschaffen, denn Patti Smith ist so viel mehr als „Because the night“. Wer etwas über die Vita der Sängerin erfahren will, sollte unbedingt ihr Buch „Just kids“ lesen. Ein fantastisches Werk über ihre frühe Jugend und ihre Beziehung zu Robert Mapplethorpe, einem renommierten New Yorker Künstler und Fotografen, zu dem sie eine ganz innige Bindung hatte. Wer das Buch, die Geschichte kennt, weiß auch um die Entstehung ihres Debutalbums „Horses“ aus dem Jahr 1975. Ein Meilenstein in der Rockgeschichte der 70` er Jahre, zweifelsohne. Immerhin wählte es der „Rolling Stone“ einst auf Platz 44 der 500 Besten Alben aller Zeiten! Ich habe nie begriffen ob man hier spezifisch von einem Punk-Album reden kann, denn bei Punk denke ich an härtere musikalische Gangarten wie z.B. die New York Dolls, Sex Pistols oder die Ramones. Trotzdem zeigt „Horses“ sicherlich unüberhörbare Ansätze und darf wohl eher als eine Art Blaupause für den Punk dienen, welcher kurz danach seine Blütezeit erlebte. Aber auch in anderer Hinsicht ist es ein bemerkenswertes Album. Betrachtet man es von der lyrischen Seite, bringt Patti hier Außergewöhnliches zu Stande. Anno 2015, also 40 Jahre nach Erscheinen des Longplayers, entschloss sich die dato 68-jährige Patti Smith, das gesamte Album noch mal live aufzuführen.

 

23.06.2015, Open Air Gelände Tanzbrunnen (Köln-Deutz). Jenes liegt mitten im Rheinpark und existiert bereits seit 1957. Viele lokale Größen, aber auch internationale Stars wie ZZ Top, Loreena McKennitt oder eben nun Patti Smith waren hier bereits zu Gast.

 

 

Um 19 Uhr begann der Abend mit einem unbekannten aber sympathischen Support. Ein junger Engländer eröffnete mit einem Plattenspieler(!) auf dem er auf Vinyl eingespielte Instrumente verlauten ließ und es seine Band nannte. Er selbst sang dazu und ergänzte sich durch Gitarre, Perkussionen oder Piano.

 

 

Nach einer kurzen Umbauphase betrat Patti Smith, begleitet von ihrer Band, das Geschehen. Zwei Musiker, Lenny Kaye und Jay Dee Daugherty, waren noch vom original “Horses“ Line up von 1975. Sanfte Pianoakkorde eröffneten den Abend, die ersten Klänge von „Gloria“, dem Opener des Albums. Der in Melodie und Text leicht abgewandelte Van Morrison Song beginnt mit den so berühmt gewordenen, von Patti Smith geprägten Worten, "Jesus died for somebody's sins not mine”. Die Künstlerin ist gleich von Beginn an emotional bei der Sache, vollauf in ihrem Element. Raue Gitarrenstimmen, treibendes Schlagwerk der Band, der Song entwickelt eine gewisse Eigenständigkeit. Dann folgt der altbekannte Chorus, “Gloria”. Patti schrie die Worte fast heraus, ihre Stimme war impulsiv, rau, erdig, just Rock! Die „Grandmother Of Punk“ gab sich auch ganz so. Angerissene Jeans, forsches Auftreten, und gleich zu Beginn „rotzt“ sie mal eben an den Bühnenrand, geil! Sie lässt von Anfang an keinen Zweifel, dass heuer eine Party gefeiert wird – Horses 40!

 

 

Der leichte Reggaetouch in "Redondo beach" wird auch auf der Bühne heute Abend deutlich hörbar, die Band hat Spaß am Song, keine Frage. „Birdland“, ein 9-minütiges Epos mit vielen Facetten. Inhaltlich ließ sich Frau Smith dabei von einem Buch inspirieren, „The book of dreams“, welches die Geschichte eines Jungen erzählt der über seinen verstorbenen Vater halluziniert. Es gibt viel Lyrik in diesem Stück, und so zieht Patti ein Blatt Papier hervor, setzt sich eine Brille auf und beginnt „Birdland“. Impulsiver Sprechgesang, ein treibender Beat, getrieben von den genannten Lyrics erzählt sie den Song scheinbar aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Mannigfaltigkeit ihrer Stimme hat über die Jahre nichts eingebüßt. Mal kreischend, mal eindringlich, ruhig und wieder laut, sie lebt! Irgendwann zerknüllte sie ihren „Spickzettel“, warf ihn auf die Monitorboxen, spuckte erneut in gleiche Richtung und versetzte das Publikum mit dem intensiven Song in Entzücken. Genau zu diesem Zeitpunkt frischte der Wind merklich auf und Patti stand fast wie im Sturm auf der Bühne, gab dem Song seine verdiente Faszination!

 

 

Horses” wurde übrigens in den bekannten “Electric Lady-Studios” eingespielt, jener “Bauherr” einst Jimi Hendrix hieß. Viele Overdubs brauchte man dazu nicht. Es wurde live aufgenommen, was man dem Werk auch definitiv anhört, es so wertvoll macht. Ein Album das man nicht vernachlässigen darf.

 

Mit „Free money“ folgte mein persönlicher Favorit. Ein rockiges, fetziges Stück auf das die Menge gleich einstieg. Köpfe oder Haare flogen durch die Luft, die selbige brannte. Der Begeisterungsjubel im Anschluss fiel entsprechend intensiv aus! Patti wies nun tatsächlich darauf hin dass die erste Seite der Platte rum sei und deutete symbolisch das Wenden einer LP an (wie man das halt früher nun mal tat) und es nun mit „Kimberly“ und „Break it up“ weiter ging. „Break it up“ widmete sie Jim Morrison, der ja einer der Hauptgründe war, warum sie sich Anfang der 1970`er Jahre letztendlich für den musikalischen Weg entschied. Ihre Band war versiert und professionell, Lenny Kaye nach wie vor ein hervorragender Musiker, bisher ein rundum gelungener Auftritt. „Land“ war dann der zweite 9-Minuten Brecher des Abends. Ein gewisser „Johnny“ ist darin die Hauptperson, dessen Geschichte Patti uns eindringlich nahebrachte. Sie wandte den Text dafür etwas ab und ließ genannte Figur durch „Cologne“ laufen, auch den Dom „the big cathedreal“, erwähnte sie zur Freude aller Anwesenden. Wer „Land“ kennt, weiß um den Aufbau und die Struktur des Stückes, die Dramaturgie des Songs und seine Faszination. Genauso erlebten wir diese 9 Minuten auch, es war ungeheuerlich. Auf dem Höhepunkt ihre Erzählung leitete die Band mitten im Song erneut in „Gloria“ über, man wusste gar nicht wie einem geschah, ein wahrer musikalischer Sturm fegte durch das Rund des Tanzbrunnens. Die Unmittelbarkeit des Schaffens traf mich voll und ganz. Wahnsinn!!!

 

Elegie“, und nun wurde es wieder sehr ruhig, ist nicht nur Jimi Hendrix gewidmet, sondern allen verstorbenen wichtigen Menschen auf ihrem Weg. Und auch ihr Publikum forderte sie fast anrührend auf an die eigenen Weggefährten zu gedenken, die wir im Laufe der Jahre verloren haben. Eine bewegende Ansprache der Künstlerin, gefolgt von einer elegischen Pianoballade die dich nicht loslässt.

 

 

Dann war der „offizielle“ Teil der Show vorbei, Patti Smith stellte ihre Mitstreiter vor und bedankte sich bei ihren Fans. Anschließend gaben ihre Musiker ein eigenes Stück zum Besten, in jener Zeit Patti in den Fotograben kam und ihre Fans persönlich begrüßte. Zurück auf der Bühne durfte natürlich der Klassiker schlechthin nicht fehlen: „Because the night“! Nun wirkte es wie ein „Familienfest“, alle waren glücklich, sangen mit oder tanzten. Das Konzert endet bereits nach 1:38 Stunden mit der einzigen „echten“ Zugabe: „ My generation“, ein „The Who“ Cover in dem es noch mal richtig laut auf der Bühne wurde. Patti sang inbrünstig, reckte die Fäuste, zerriss die Saiten ihrer Elektrischen, sprang wild herum. „Wir sind Träumer, die die Welt verändern können“, „You´ re free“, you` re free“ schrie sie immer wieder mit viel Pathos.

 

 

Das Publikum weiß um die Faszination von „Horses“, aber auch um die arrivierte Künstlerin selber. Patti Smith zu erleben ist immer etwas ganz Besonderes. Gebührend wurde sie dann auch mit viel Applaus verabschiedet. Danke Patti, Danke Köln!

 

 

 

 

 

 

 

rockfrank