rock will never die
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Im Gespräch mit...Ganes

photo by: Philip Krause

Die Mitglieder der südtiroler Band Ganes, Marlene und Elisabeth Schuen sowie Natalie Plöger sprachen mit rockfrank.com über ihr neue Album "Vives!" sowie über ihre Karriere und andere,

musikalischen Belange.

 

rockfrank: Karma Frage: Drei Dinge, die Euch spontan einfallen, wenn ihr an Deutschland denkt.

 

Elisabeth: Pünktlichkeit und Unpünktlichkeit.

rockfrank: Bezogen auf die (Deutsche) Bahn?

Elisabeth: Ja ziemlich, weil ich so viel damit zu tun habe. Außerdem hat Deutschland ein sehr gutes Kulturpublikum.

 

Marlene: Ich würde sagen, meine Studienzeit. Die habe ich ja in Deutschland verbracht, in München. Das war für mich eine schöne Zeit. Außerdem verbinde ich viele Freunde mit Deutschland und die Möglichkeit für uns, Konzerte zu spielen, in einer Sprache, die hier nicht verstanden wird, aber so herzlich aufgenommen wird.

 

rockfrank: Ihr seid 2010 mit dem „ehrgeizigen“ Vorhaben gestartet, eure Songs in ladinischer Sprache zu singen, was, vereinfacht gesagt, ein Südtiroler Dialekt ist, und habt damit, überraschend schnell, nationale und auch internationale Erfolge gefeiert. Marlene, Du kommst, gemeinsam mit Deiner Schwester, aus La Val, besser bekannt als Wengen und ihr habt, wie rund 30.000 andere Südtiroler, Ladinisch als Muttersprache. Wie kamt Ihr auf die Idee, einen solch seltenen, wenn auch sehr schönen, aber für Außenstehende doch sehr schwer zu verstehenden Dialekt, für eure Texte und Musik zu verwenden?

 

Marlene: Zuerst einmal, Ladinisch ist schon eine eigene Sprache. Eine sehr alte Sprache. Aber natürlich hat sich das in jedem Tal anders entwickelt. Also kann man vielleicht doch von Dialekten sprechen, wir haben ja keine Hochsprache. Für uns ist es unsere Muttersprache. Als es angefangen hat mit Ganes, kam erst mal die Frage, wie heißen wir? Da war sofort ein ladinischer Name da. Und dann haben wir uns natürlich schon damals die Frage gestellt bzw. Hage Hein (Management Blanko Musik GmbH), der uns mit entdeckt hat und gesagt hat: „Ich unterstütze Euch, alles auf ladinisch“? Da ist natürlich viel Risiko dabei, denn es kann sein, dass niemand das hören möchte. Das war aber nicht so. Ich glaube, es war wirklich eine gute Bauchentscheidung schlussendlich, dass wir das in unserer Muttersprache machen. Somit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal und sind authentischer.

 

rockfrank: Das wäre quasi auch schon meine nächste Frage: Hattet Ihr keine Angst davor, wie das Publikum, der Hörer, auf eure Lieder reagiert, da sie ja die Texte nicht verstehen? Oder sagt Ihr Euch, Musik ist eine globale Ausdrucksweise, die man überall versteht?

 

Elisabeth: Wir wollten es einfach ausprobieren. Wir haben nicht viel Angst gehabt, wir hatten ja nichts zu verlieren. Wir wollten es einfach ausprobieren. Und wir haben dann auch irgendwann mal einen Song auf französisch oder englisch ausprobiert, aber das hat sich einfach nicht so gut angefühlt, und ich glaube unser Publikum hat das auch ähnlich gesehen. Ihnen hat das gut gefallen, was wir gemacht haben, auf ladinisch. Deshalb ist die Frage gar nicht aufgekommen.

 

Marlene: Nichtsdestotrotz ist es immer schön, mit anderen Sprachen zu experimentieren. Ich habe jetzt kein schlechtes Gefühl, mal einen Song auf französisch zu singen oder vielleicht Natalie mal etwas auf deutsch, auf ostfriesisch, auf platt (allgemeines Gelächter). Vielleicht wäre das mal lustig. Es ist toll, verschieden Sprachen auszuprobieren. Aber die Basis ist schon die ladinische Sprache.

 

photo by: Christoph Jorda

 

rockfrank: Eure Musik ist beeinflusst von Natur und Traditionen, „Or Brüm“, z.B., was übersetzt ‚blaues Gold‘ (Album aus 2021) bedeute, handelt von Wasser als Mittelpunkt des Lebens. Wie gelingt es Euch, diese Themen in einem zeitgenössischen Kontext zu präsentieren?

 

Elisabeth: Wir versuchen, also zumindest bei den letzten Alben haben wir das so gemacht, ein Thema für das Album haben. Weil es dann auch viel leichter ist, Texte dazu zu schreiben und sich die Musik auszudenken, als wenn man schon vorher an ein Gesamtpaket denkt, also einzelne Songs schreibt und danach erst überlegt, wie könnte man das zusammenfassen. Die letzten Themen waren das Wasser z.B. oder die Legenden, oder jetzt, Geschichten aus unserem Dorf. Das ist immer eigentlich mit Tradition oder Natur, wie Du sagst, verbunden. Aber wir überlegen natürlich auch immer, welches sind die aktuellen Themen, die auch dazu gehören. Deshalb ist es immer eine Balance aus Tradition und auch aktuellen Sachen. Es ist uns schon wichtig, dass wir über die wichtigen Themen, die die Menschheit betreffen - so, wie sie ist - schreiben, aber dem auch nicht zu viel Gewicht gibt, denn man soll sich ja auch an so einem Abend entspannen können und die Musik genießen.

 

rockfrank: Natalie, Du bist 2018 zur Band gestoßen, kommst gebürtig aus Leer (Ostfriesland) in Deutschland. Wie passte dieser Umstand damals zusammen? Die einzige Verbindung, die ich zwischen Leer und La Val sehe, ist der Küstennebel an den norddeutschen Meeresufern und dem Hochnebel in den Südtiroler Bergen (Natalie lacht). Aber Scherz bei Seite: Wie habt Ihr Euch kennengelernt, und wie schnell hast Du die ladinische Sprache erlernt?

 

Natalie: Wir haben mal ein Konzert zusammen gehabt, in Frankfurt. Da habe ich aber noch in einer anderen Band gespielt. Da haben wir uns kurz kennengelernt. Dann haben wir uns wieder getroffen in Berlin. Wir sind da 2013 gleichzeitig hingezogen (mit Marlene) und waren so im gleichen Kiez unterwegs. Und dann musste ich lernen (ladinisch) (allgemeines Gelächter). Ich kann es aber nicht sprechen. Ich kann es singen, aber nicht sprechen.

 

rockfrank: Du kennst also die Lautsprache bzw. Aussprache, aber Du kannst es nicht sprechen, somit auch nicht verstehen.

 

Natalie: Genau. Ein paar Wörter verstehe ich schon. Aber ich weiß, worüber wir singen.

 

rockfrank: Wie funktioniert die Zusammenarbeit als Schwestern innerhalb der Band? Gibt es besondere Herausforderungen? Wie geht ihr mit kreativen Differenzen um, gibt es feste Rollen oder ist jede gleichberechtigt in den Entscheidungen?

 

Marlene: Es ist so, dass sich jeder gerne einbringen soll. Das ist ja auch das, was die Band ausmacht. Dass jeder von uns bestimmte Sachen sehr gut kann. So kann man das Beste aus dem Ganzen herausholen. Wenn wir beispielsweise Songs schreiben, dann schreiben wir eher jede für sich, und danach fügt es sich dann zusammen. Es gibt niemand, der sagt, „das bestimme ich aber jetzt!“. Natürlich, diejenige, die den Song geschrieben hat, kann eher „bestimmen“, wie es schlussendlich zu klingen hat. Aber eigentlich gibt es da nie große Diskussionen; wir verstehen uns da ganz gut, alle zusammen, oder? (fragt in die Runde, allgemeine Zustimmung).

 

Elisabeth: Bei diesem Album haben alle mitgeschrieben, auch Raffi, unser Gitarrist (Raffael Holzhauser). Es war natürlich ganz anders am Anfang (von Ganes). Da waren wir zusammen mit unserer Cousine in München (Maria Moling ist Gründungsmitglied von Ganes und wurde 2018 von Natalie Plöger ersetzt) und da hat man viel zusammen geschrieben, auch zu dritt. Und das hat Vor- und Nachteile. Irgendwann waren wir auch froh, dass jeder ein wenig seinen Weg gehen konnte, weil wir wirklich 200 Tage im Jahr aufeinander hockten. Und dann haben wir angefangen, jeder für sich Songs zu schreiben und gegenseitig zu verschicken; „Kannst Du hier mal gucken, oder fällt Dir da noch was ein?“

 

photo by: Christoph Jorda

 

rockfrank: Euer neues Album „Vives!“, bereits die achte Veröffentlichung, steht kurz vor dem Release. Das Werk ist eine Ode an das Leben, an die Gemeinsamkeit, das Feiern und Alltägliches. Eine Reise durch die lebendige, ladinische Kultur. Ist es euch wichtig, dass wir in schwierigen Zeiten wie diesen, wo wir fast täglich mit irgendwelchen Schreckensbotschaften konfrontiert werden, einfach mal abschalten, das Leben genießen? Wollt ihr dem Hörer jene Botschaft auf „Vives!“ bewusst vermitteln?

 

Marlene: Ja, ich glaube schon. Es ist ja schon so, dass wir Texte schreiben, die manchmal zum Nachdenken verleiten. Die Musik auf „O Brüm“ war mit Umweltschutz verbunden, also verschiedene Geschichten darauf. Und jetzt wollten wir wieder ein bisschen Leichtigkeit reinbringen, weil die Zeiten wieder schwieriger geworden sind, in den letzten Jahren nach Corona. Immer wieder kommt was Neues. Es ist halt ein wichtiger Teil, ohne aber die Probleme komplett auszublenden, dass man ein paar Stunden hat wo, man ein bisschen Freude versprühen kann, Leichtigkeit. Dass man solche Dinge wieder mit reinbringt (in die Songs).

 

rockfrank: Woher bekommt Ihr die Inspirationen für neue Songs? Holt Ihr die Euch auch aus der Natur? Oder entstehen neue Songs auf Tour, im Studio oder eher zu Hause im stillen Kämmerlein? Wie war es bei „Vives!“?

 

Elisabeth: Ganz unterschiedlich. Ich glaube wir haben uns bei „Vives!“ erst mal mit dem Thema befasst. Wir haben überlegt, auf welche Bereiche können wir uns da fokussieren. Wir haben uns z.B. in unserem Dorf (La Val) umgehört, haben mit älteren Menschen und mit unseren Eltern über die alten Traditionen geredet. Wir haben uns also erst mal thematisch genähert. Und dann ging es mit der Musik relativ „von selbst“. Man setzt sich einfach hin und probiert Sachen aus.

 

rockfrank: Ich höre wohlklingende, reduzierte Klang-Arrangements aus „Vives!“ Ist es Euch wichtig, auch hier bewusst zu instrumentieren, ohne die Musik zu überlagern?

 

Elisabeth: Wir dachten da auch ein bisschen an die Traditionen. Dass es ein wenig so klingt, als wenn man in der Stube oder in einem Wirtshaus zusammen spielt. Ein wenig wie live. Kein richtiger Live-Charakter, aber dass sie (die Musik) daran erinnert, wie wir nun mal klingen, nicht zu viele Klänge, nicht zu „groß“ gehalten.

 

rockfrank: Wie haltet Ihr die Balance zwischen Band und Privatleben? Gibt es Momente, in denen Ihr Abstand zur Musik braucht?

 

Marlene: Wir sind ja auch Familie (Marlene und Elisabeth), von dem her ist es etwas schwierig mit dem Privatleben. Aber das ist eine gute Frage. Dadurch, dass man sich sowieso immer wieder hört, ist es selten, dass man nicht über Ganes spricht. Das geht so ineinander über. Aber man braucht schon Abstand von der Arbeit, nicht von der Musik. Eher vom organisatorischen. Da sagt man sich dann mal, so, jetzt ist die Familie dran und nicht mehr die Arbeit.

rockfrank: Das einzige Album außerhalb von Ganes, auf dem man die ladinische Sprache bewundern kann, ist „Metamorfosa“. Ein Album aus 2023, auf welchem Du, Marlene, in Kooperation mit Marc Rombay und Dimitri Andreas, in elektronischer Musik eingetaucht bist und die Vocals zu dem Album beigesteuert hast. War es ein Wusch von Dir, mal etwas anderes auszuprobieren, oder war es eher eine spontane Aktion?

 

Marlene: Das hat sich einfach ergeben. Ich kenne mich da Null aus in der Szene. Der Marc Rombay hat mich über einen anderen Produzenten in Berlin, der mich mal arrangiert hat, kontaktiert und hat mir erzählt, was er so vorhat. Er wollte eine Stimme, die sehr atmosphärisch ist und wo man vielleicht n (weg) die Sprache nicht verstehen kann. Das war in der Corona Zeit, und da war es für mich sehr willkommen, so etwas zu machen. Es war sehr spannend. Man lernt wahnsinnig viel dazu, wenn man in neue Welten eintaucht und schaut, wie Musiker in einer anderen Sparte arbeiten. Wie sie komponieren und wie sie vorgehen.

 

photo by: Christoph Jorda

 

rockfrank: Was hört Ihr privat gerne für Musik, wenn Ihr vor Eurem heimischen CD-Player sitzt? Darf es da auch mal Rock 'n' Roll sein, gibt es einen Lieblingskünstler oder Band?

 

Natalie: Ich mag gerne Stromae. (Belgischer Musikproduzent)                 Marlene: Das ist auch ein wenig elektronische Musik?

Natalie: Ja, aber ganz toll gemacht. Lohnt sich da mal rein zu hören.

 

Marlene: Bei mir ist es sehr unterschiedlich. Es gibt Zeiten, wo ich gar keine Musik höre, dann höre ich mal wieder sehr viel. Ich höre viel, wenn ich im Zug sitze. Mich interessiert dann, was so neues rauskommt, z.B. Im Independent-Bereich. Ich höre sehr breit gefächert, es darf auch mal was Klassisches sein. Dann suche ich auch oft Musik, weil ich eine Radiosendung (kein Komma) einmal im Monat mache. Da schaue ich dann oft nach neuer Musik oder befasse mich mit zwei, drei speziellen Künstlern und entdecke immer wieder tolle neue Sachen, die eigentlich viel zu unbekannt sind. Da denkt man, das ist eigentlich alles Wahnsinn. Es gibt so unfassbar große, bekannte Künstler wie Taylor Swift, wo alle hinrennen, und dann gibt es noch so viele tolle oder noch tollere Musik, die niemand kennt.

 

Elisabeth: Ich muss zugeben, dass ich momentan zu Hause eher gerne ausschalte. Meistens gibt es viele Geräusche, weil ich drei Kinder zu Hause habe; da bin eigentlich froh, wenn es auch mal ruhig ist. Und ansonsten höre ich gerne klassische Musik, hauptsächlich.

 

rockfrank: Kurze Fragerunde:

 

Natalie, Berge oder Meer?

Natalie Plöger: Berge.

 

Marlene, Andreas Gabalier oder AC/DC?

Marlene: (unter allgemeinem Gelächter) AC/DC.

 

Elisabeth: Salzburg oder Bozen?

Elisabeth: Ui, das ist jetzt eine schwere Frage. Ich habe in Salzburg studiert, mich verbindet dahin mehr, denke ich. Also Salzburg.

 

Natalie, Ladinisch oder friesisch platt?

Natalie Plöger: Tja (alle lachen), eigentlich muss ich ja friesisch platt sagen. Ich kann es eigentlich nicht sprechen. Aber mein Vater spricht es. Also friesisch platt.

 

Marlene, Hubert von Goisern oder Helene Fischer?

Marlene: (sofortiges, allgemeines Gelächter, irgendwer wirft scharfzüngig HELENE dazwischen…). Musikalisch gesehen, oder? Da denke ich mal, würde ich natürlich schon den Hubert auswählen.

 

Elisabeth, Berliner Currywurst oder Mozartkugeln?

Elisabeth: Die Mozartkugeln! Marlene wirft belustigt dazwischen: Oh nein…, ich nehme die Currywurst!

 

 

 

Ich bedanke mich für das informative und lockerwe Gespräch mit Euch und wünsche Ganes weiterhin viel Erfolg und alles gute für die zukunft!