Titel: Vives!
Vö: 27.09.2024
Label: Blanko Musik GmbH by Sony Entertainment
Ganes ist ein bemerkenswertes Frauenensemble, welches 2010 von den Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen sowie ihrer Cousine Maria Moling gegründet wurde. Die Musikerinnen gehören zu den rund 30.000 Südtirolern, die noch Ladinisch sprechen, ein spezieller, regionaler Dialekt. Die Idee zur Band entstand während der Linz Europa Tournee von Hubert von Goisern, 2007, an der die Geschwister beteiligt waren. 2018 gab es eine Umbesetzung innerhalb des Bandgefüges und Maria Moling wurde von Natalie Plöger ersetzt, da Maria sich fortan um ihre eigene Band kümmern wollte. Ganes singen auf Ladinisch, einem romanischen Dialekt und die 3. Amtssprache in Südtirol. Mit "Vives!" legen die Powerfrauen bereits ihr 8. Studioalbum vor, welches von Energie und Freude nur so strotzt.
Auf dem blumigen Album-Cover präsentieren sich die Schwestern selbstbewusst und in charmanter Attraktivität, zwei Schriftzüge verweisen auf den Bandnamen und den Titel des Longplayers. 11 Titel umfasst das neue Werk, von denen ein Song auch von Natalie Plöger geschrieben wurde, dem Nordlicht des Pop-Trios (dazu später mehr). Inhaltlich feiert man auf „Vives!“ die regionale Heimatverbundenheit der Band, das Leben und die Zusammengehörigkeit.
photo by: Christoph Jorda
Der Silberling eröffnet mit „Dlijia vedla“, jenes ladinische Wort ein altes Haus bezeichnet. Die akustische Gitarre von Raffael Holzhauser leitet in den von Harmoniegesang geprägten Song des Trios ein, und den Hörer überkommt sofort eine wohlige Gefühlsregung. Von Beginn an ist klar, dass hier kulturelle Authentizität gelebt wird. Im folkloristisch anmutenden „A mitans“ setzt sich die heimelige Impression weiter fort und die Bandmitglieder zeigen, dass sie musikalische Professionalität mit kultureller Identität spielend fusionieren können. „Aicia“ dürfte gleichbedeutend sein mit „hier“ und drückt somit die örtliche Nähe aus, welche, im Fall von Ganes und im Kontext des Albums, der Ort La Val in Südtirol ist. Der romantische Landstrich liegt im Pustertal auf rund 1350 Meter über dem Meeresspiegel. Die Stille und die Einsamkeit, die jene Gemeinde auszeichnet, spiegelt sich überzeugend in der Tonkunst von Ganes wider. So auch in „Aicia“, eine gedankenverlorene, fast sinnliche Ballade, die Dich nach deren Ende noch eine Weile in Deinen Erinnerungen verweilen lässt. „Sabeda“ brilliert mit ähnlichen Emotionen und grandioser Saitenarbeit. Ganes haben hier eine subtile Balance zwischen traditionellen Leitmotiven und modernen Klangwelten erschaffen. Das nachfolgende “L´ osti“ zeigt überdeutlich, dass Musik als universelle Sprache dient, die geografische und kulturelle Grenzen überwindet! Der Schwung in jenem Titel ist ansteckend. Die Dynamik zwischen den Mitgliedern ist das Besondere an dieser Band. Ihre enge Verbundenheit zeigt sich in ihrem Zusammenspiel. Das spürt man auch deutlich in „La stria“ (Die Hexe), jener Song eine düstere, atmosphärische Dichte besitzt. In dem Track berufen sich die Schwestern auf ihren Bandnamen, welcher sich auf mystische Wesen und Wassernixen bezieht, sogenannte Schutzgeister, die in den Bergen und Wäldern der Dolomiten leben. Sie können aber auch Unglück bringen, wenn man sie beleidigt. Im Nonstal, nördlich von Trient, glaubte man, das es Hexen seien, womit wir wieder beim Songtitel sind.
photo by: Christoph Jorda
„Mi legn“ ist der einzige Song auf „Vives!“, der von Natalie Plöger geschrieben wurde. Wie eingangs bereits erwähnt, stieß die Musikerin 2018 zur Band. Das Besondere: Natalie stammt aus Leer (Ostfriesland). Sie studierte den klassischen Kontrabass, Instrumentalpädagogik und Schulmusik, war also bestens geeignet, die scheidende Maria Moling zu ersetzen. Des weiteren ist sie Mitglied des Berliner Musiktrios Elaiza. Sie ergründete den gesamten Backkatalog von Ganes und brachte sich so die Ladinische Mundart autodidaktisch bei. Und jene beherrscht sie derweil in Perfektion.
Ob „Mo co pon pa ma“, „Baudiament“ oder „Jodler da la val“, Ganes nehmen uns mit auf eine Reise und fördern das Verständnis für ihre Heimat und den damit verbundenen Traditionen.
photo by: Philip Krause
Fazit: „Vives!“ ist außergewöhnlich. Jeder Song ist sehr detailreich und nuanciert, wodurch die diversen Klangfarben und der Harmoniegesang perfekt zur Geltung kommen. Die Instrumentalisierung von der Gitarre zum Kontrabass (Natalie Plöger) oder auch einer Cavaquinbo, ein portugiesisches, viersaitiges Zupfinstrument (Raffael Holzhauser) und natürlich die klassische Geige, sowie eine Mariachi-Trompete, tragen ihr eigens dazu bei. Ein zentrales Anliegen des Albums ist es, die kulturellen Eigenheiten der Band zu bewahren, gleichzeitig aber eine respektvolle Annäherung an die Moderne zu schaffen. „Vives!“ überwindet locker geografische und kulturelle Barrieren, jenen schmalen Grat die Geschwister Elisabeth und Marlene, sowie ihre Team-Playerin Natalie Plöger. mit Leichtigkeit bewältigen. „Vives!“ ist ein kulturelles Statement. Nicht umsonst wird der Albumtitel mit "Du sollst leben!" übersetzt.
photo by: Christoph Jorda