rock will never die
   rock will never die

Loreena McKennitt

18.07.2024

 

Köln

 The Mask And Mirror 30 Anniversary Tour 2024

 

 

Ein Sommermärchen gab es zwar nicht für die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der gerade geendeten EM, dafür gab es anno 2024 einen anderen, musikalischen Sommertraum - Loreena McKennitt am Fuß des Rheins, auf dem Open Air Gelände des Tanzbrunnens in Köln. "Troubadours on the rhine" könnte man sagen, wäre jener Titel nicht schon derselbige eines ihrer schönsten Aufnahmen überhaupt. Live eingespielt im Jahr 2011, am Rheinkilometer 498,3 in Mainz, im Rahmen eines vom SWR präsentierten, exklusiven Radiokonzertes, wurden die Aufnahmen später auf Vinyl verewigt. Am 18.07.2024 wiederholte sich das Ereignis, jedoch 200 km nördlich des Stroms, in Colonia Agrippina, so der alte Name der Stadt, am Rheinkilometer 689; nur dieses Mal unter freiem Himmel und nicht unplugged. Auf dem naheliegenden Strom tummelten sich die Ausflugsschiffe, kleine Wellen brachen sich sanft an ihren Bügen, hingegen flussaufwärts große Frachtschiffe gegen die anstehende Strömung kämpften. Möwen beobachteten die Szenerie vor einem strahlendblauen Himmelsraum. Nur unweit des Gewässers liegen die Wiesen des Rheinparks, die den Tanzbrunnen begrenzen, ein wunderschönes Open Air Areal, welches für ein Konzert jener Art geradezu prädestiniert ist. Das Ganze bei annähernd 30 Grad und einem königsblauen Firmament, Herz was willst Du mehr. 

 

Loreena McKennitts Musik zeichnet sich durch keltische Elemente aus, Volksweisen, mystisch umwobene Texte, Überlieferungen und konventionelle Instrumente. Ihre Songs kommen einer geistigen Versunkenheit gleich, wirken fast meditativ.

 

 

Um 19.10 Uhr betrat die Künstlerin, begleitet von ihrer Band, die Bühne der ansässigen Location. Da es, ähnlich wie bei Bob Dylan oder Jack White, auf Wunsch der Sängerin ein komplettes Film-, Foto- und Aufnahmeverbot gab, und der Autor nicht mit Schnellschüssen und unbemerkten, verwackelten Bildern aufwarten wollte, verzichtete ich komplett auf Bilder des Konzerts und versuche in den kommenden Zeilen, den Leser nun in die Lage zu versetzen, das Konzert ganz in seinen Gedanken nachzuempfinden, einzutauchen in die Emotionen und Erinnerungen des Rezensators und sich für die nächsten Minuten auf eine kleine, musikalische Reise mitnehmen zu lassen. 

 

Im ersten Set präsentierte uns die Band einen Querschnitt aus den verschiedenen Werken Loreenas, während im zweiten Set, entsprechend des Tour-Titels, "The Mask And Mirror 30 Anniversary Tour", das entsprechende Album aus dem Jahr 1994 komplett aufgeführt wurde. Eröffnet wurde mit einem Titel aus ihrem 1991 veröffentlichtem Album, "The Visit", "All souls night". Die perfekt ausgesteuerte Akustik des Tanzbrunnens verwandelte diesen gleich in eine klangvolle, wohltönende Aura. Die an jenem Abend freudvolle Loreena McKennitt strahlte über das gesamte Antlitz und hatte sichtlich Wohlgefallen an der Location. Dies drückte sie vor dem zweiten Song auch dem Publikum gegenüber aus, in dem sie sagte, was es für eine Freude wäre, nicht in geschlossenen Räumen und mit wenig Licht zu spielen. Und eines unterstrich sie mit ihrem Gesang nochmal glasklar: Auch mit 67 Jahren trifft die kanadische Sängerin mit der Sopranstimme immer noch jeden Ton. Wir bekamen "On a bright may morning", "The gates of Istanbul", “Penelope`s song" und andere Titel ihrer Karriere zu hören. Stimmlich unterstützt wurde die Protagonisten zeitweilen von der bezaubernden Caroline Lavelle, die Cellistin in der Band. Alleine beim Anblick von Caroline ist man gedanklich am Rheinkilometer 555, wo über 132 Meter das stolze Steinmassiv der Loreley über dem Fluss thront. Der Legende nach saß im Dämmerschein eine schöne Jungfrau auf der Loreley, und sang mit süßlicher Stimme. Die vorbeifahrenden Schiffer waren derart fasziniert von der Erscheinung, dass sie gegen ein Felsenriff fuhren und die Strömung sie auf den Grund des Stroms riss. Aber das ist nur eine Variante der Sage; wie es letztendlich wirklich war, wird man wohl nie erfahren. Das (durch die Ventilatoren auf der Bühne) wehende Haar Carolines verstärkte jedenfalls diesen Eindruck. Loreena wechselte derweil während der Songs zwischen ihrem klassischen Klavierflügel, der prägnanten, atmosphärischen Harfe, einem Akkordeon und dem E-Piano. Das Auditorium befand sich binnen kürzester Zeit völlig im Bann der Aufführung. Der mit Abstand längste Applaus des Sets wurde Loreena nach "The lady of shalot" zuteil, ganz klar eines ihrer Aushängeschilder. Anschließend empfahl sich die Band mit "The old ways", ebenfalls von ihrem Longplayer "The Visit", mit dem sie auch eröffnete, in die Pause. 

 

 

Als die Musiker nach der Spielunterbrechung wieder die Bühne betraten, stand die Sonne bereits tief über der Stadt und vereinzelte Lichtstreifen trafen auf die Gesichtszüge einzelner Akteure auf dem Podium. Im angrenzenden Fließgewässer rollten versprengt Kieselsteine entlang des Ufers und Fischfamilien bereiteten sich auf die anstehende Dunkelheit in dem Tiefen des sagenumwobenen Rheins vor. Nun stand das gesamte Album „The Mask And Mirror“ auf dem Programm, jenen Longplayer McKennitt am 15.03.1994 veröffentlichte, also genau vor 30 Jahren. Es war ein Privileg, dieses Werk nun komplett live hören zu dürfen. Und spätestens bei „The bonny swans“ gab es kein Halten mehr im Rund des Tanzbrunnes. Die Beifallsbezeugungen wollten nicht abreißen und Loreena lächelte fast ein wenig verlegen in das Licht der gleißenden Scheinwerfer. Musikalischer Höhepunkt aus Sicht ihrer Band war jedoch mit Abstand der Song „Santiago“. Violinist Hugh Marsh mutierte hier kurzzeitig zu einem „Angus Young Double“ und holte restlos alles aus seinem 4-saitigem Instrument mit den Tonlagen g – d1 – a1 – e2  heraus. Als Entlohnung erntete er im Anschluss brausende Beifalls-Akklamationen eines völlig verzückten Publikums. Aber auch die anderen Musiker auf der Bühne lieferten exzellente Arbeit ab. Loreenas langjähriger Gitarrist Brian Hughes begeisterte an drei verschiedenen Saiteninstrumenten, Robert Brian bestach am Schlagzeug und Dudley Phillips am Bass. Sie alle entführten uns in eine perfekte Klangwelt.

 

Natürlich wurde die Band nicht ohne Zugabe „entlassen“. Sehr zügig kehrte Loreena mit ihren Musikern auf die Bühne des Tanzbrunnens zurück und stimmte „The mummers´ dance“ an, aus ihrem Album, „The Book Of Secrects“. Im Anschluss richtet sie noch einmal ein paar persönliche Dankesworte an ihr Publikum, die es ihr mit viel Beifall dankte. Mittlerweile saß hier niemand mehr auf seinem Stuhl. Loreena ließ, im Gedenken an ihre Mutter, Teile der ukrainischen Weise erklingen, zum endgültigen Ende spielte die Band dann noch „Dante´s prayer“, bevor man sich final in die Katakomben zurückzog.

 

Troubadours on the rhine“, Teil 2, war somit Geschichte, aber eine, die in die entsprechenden musikalischen Geschichtsbücher eingehen wird.

 

Mittlerweile griff die Dämmerung über die Schifffahrtsstraße, der rot gefärbte Abendhimmel präsentierte einen angehenden Vollmond, die perfekte Kulisse für eine weitere Sage vom Rhein. Ein verirrtes Nachen trieb noch rheinabwärts vor der Kulisse der untergehenden Sonne, leicht brausende Wogen an der Uferböschung, Rheinromantik pur.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

rockfrank