Zeltinger Band
25.04.2025
Köln
Köln, Südstadt, 1979.
In einem verrauchten Club brodelt die Luft – durchtränkt von Bier, Schweiß und Adrenalin. Aggression und Ekstase prallen auf engstem Raum aufeinander. Plötzlich stürmt ein kahlköpfiger Typ mit
Schnurrbart in einem gelben Leoparden-Badeanzug auf die kleine Bühne, gefolgt von seiner Band. Er greift zum Mikrofon und schreit: „Morgen geh´ ich zum Sozialamt!“
Die zuvor noch gespaltene Menge vereint sich im Chor. Der Refrain wird zum kollektiven Aufschrei.
So – oder so ähnlich – begann 1979 in Köln die Geschichte der Zeltinger Band.
Hier ein original Tour Plakat von einem Konzert in Essen, 1981.
Jürgen zog den Leoparden Badeanzug gerne mal zur Zugabe an.
46 Jahre später: Das Vermächtnis lebt weiter.
Am 25.04.2025 feiert die Zeltinger Band ein geschichtsträchtiges Jubiläumskonzert im Club Volta, Köln. Ursprünglich war das Event bereits für 2024 anlässlich des 45-jährigen
Bestehens geplant, musste jedoch krankheitsbedingt verschoben werden. Die Begeisterung darüber blieb ungebrochen – im Gegenteil: Die Vorfreude ist größer denn je.
Zeltinger selbst steht zwar nicht mehr im Leoparden-Look auf der Bühne und ist ruhiger geworden, doch sein Spirit bleibt
ungebändigt – augenzwinkernd, ehrlich, unangepasst. Ganz nach seinem bewährten Motto:
„Schwul, pervers und arbeitsscheu.“
Nur langsam füllt sich der Innenraum der Location, viele Fans sind noch draußen im Biergarten und genießen die Sonne. Der Altersdurchschnitt im Publikum war verdächtig hoch. Der jüngste Mann im Raum war vermutlich der angesehene Gitarrist und langjähriges Zeltinger-Mitglied, Dennis Kleimann. Später mehr zu ihm.
Um kurz vor halb neun betrat das kölsche Urgestein mit seiner Band unter großem Beifallssturm und „Jürgen, Jürgen“-Rufen das Podium des Club Volta. Wie bei jeder Show als Openining hämmerte das Intro vom "Kölsche Jung" aus den stark beanspruchten Lautsprechern (Anm. der Redaktion: * Der Song „Kölsche Jung“, der bei der Zeltinger Band häufig als Intro verwendet wird, stammt ursprünglich von dem Kölner Komponisten Fritz Weber. Er komponierte das Lied 1963 unter dem Titel „Ich bin ene kölsche Jung“ . Ursprünglich als Marsch konzipiert, wurde das Lied durch Horst Muys in eine heute bekannte Form interpretiert und später von Willy Millowitsch übernommen und popularisiert.
Die Combo sog sofort die Energie des Publikums auf, fackelte nicht lange und zündete mit „Mallorca, Sommer, Sonne, Herzinfarkt“, „Leck mich“ und „Bekloppt“ gleich das erste Feuerwerk ab. Der sauber ausgesteuerte Sound fegte energisch und kraftvoll durch die Halle. Frequenzen jonglierten fröhlich zwischen den Trommelfellen des Publikums, während das letzte bisschen Hörvermögen verzweifelt seine Koffer packte und sich tinnitusbedingt in einem ruhigeren Teil des Areals versteckte.
Ein bestens aufgelegter Jürgen Zeltinger machte von Beginn an klar, wer das Kommando auf der Bühne hatte, und unterhielt seine Fans mit schlagfertigen Kommentaren und humorvollen Einwürfen. Erfreulicherweise ist Gründungsmitglied Ralf Engelbrecht nach 28 Jahren Abstinenz wieder in der Band und trug mit seinen energiegeladenen Riffs auf seiner 6-saitigen „Flying V“ von Ibanez zum Gelingen der Show bei.
„Krawall im All“ hatte man gefühlt seit Jahren nicht mehr live von der Band gehört, umso erfreuter waren ihre Anhänger. „Der Asi mit Niwoh“ und „Sozialamt“ durften natürlich nicht fehlen und wurden vom Auditorium ordentlich abgefeiert. „Erfunge und jelore“ war einst ein Beitrag zu dem Sampler „30 Jahre Arsch Hu – Wachsam bleiben“ (*Arsch huh, Zäng ussenander (Kölsch für „Arsch hoch, Zähne auseinander“) ist das Motto einer 1992 entstandenen Kölner Kampagne gegen rechte Gewalt.) und stammt aus der Feder von Gitarrist Dennis Kleimann. Aber Dennis Kleimann, auf den ich, wie eingangs erwähnt, noch einmal zurückkomme, ist noch viel mehr: Ein renommierter Studiomusiker (u.a. RTL-Studioband – „Ultimative Chartshow“, Shows von Thomas Gottschalk, Barbara Schöneberger, Günther Jauch, in denen er Künstler wie Art Garfunkel Jr., Sasha, DJ Ötzi und andere begleitete), besitzt eine eigene Band (CologneUnplugged) und ist das Herz der Zeltinger Band. Zu Jürgen hat er mittlerweile ein fast väterliches Verhältnis und unterstützt den Bandleader, wo er kann. Außerdem unterrichtet Dennis an der Musikschule in Köln.
Wie um das zu untermalen, gaben die Plaat und Dennis zwei akustische Titel zum Besten, nur von Dennis' Gitarre begleitet – „Poller Wiss“ und „Marmorstein“. Mit dem „Tuntensong“ ging es dann wieder elektrisch weiter, und der „Panzerfahrer“ durfte natürlich nicht fehlen. Einem Zuruf aus dem Publikum „Ausziehen!“ entgegnete Jürgen gekonnt mit „Bist du schwul?“ Großes Gelächter ließ nicht lange auf sich warten. Da verwunderte es auch nicht, dass der Song „Exhibitionist“ später perfekt ins Programm passte. Darin geht es darum, sich zu zeigen, sich auszudrücken und aufzufallen, ohne sich um die Meinungen anderer zu scheren. Der Text beschreibt die Einstellung eines Menschen, der sich bewusst und offen in der Öffentlichkeit präsentiert, sich nicht versteckt und keine Hemmungen hat, seine Individualität und seine Wünsche zu zeigen – ähnlich wie ein Exhibitionist, der sich ohne Scham in der Öffentlichkeit entblößt. Es war natürlich reiner „Zufall“, dass sich just in dem Moment ein junger Mann in der ersten Reihe seines T-Shirts entledigte und uns seinen nackten Oberkörper präsentierte.
Die Band war extrem gut aufgelegt. Der langjährige Drummer Robbie Vondenhoff gab den Takt vor und bildete zusammen mit Bassmann Tom Schönberg die Rhythmusfraktion.
Die Plaat und Dennis akustisch mit „Poller Wiss" und „Marmorstein“.
Nach 20 Songs ging ein grandioser Konzertabend (vorerst) zu Ende. Schon beim Verlassen der Bühne schallte es erneut aus allen Kehlen: „Jürgen, Jürgen!“. Dieser sammelte neben der Bühne noch einmal seine Energiereserven und betrat nach wenigen Minuten mit seiner Band ein letztes Mal die Bühne des Volta. Denn natürlich fehlte in der Setlist mindestens ein „Muss“-Song: „Müngersdorfer Stadion!" Zuvor jedoch stimmte die Band „Mein Vater war ein Wandersmann“ an und der Mob jubelte (Anm. der Redaktion: *Das Lied „Mein Vater war ein Wandersmann“ ist ein fester Bestandteil der Konzerte von Jürgen Zeltinger und seiner Band. Bereits auf ihrem ersten Live-Album „De Plaat“ von 1979 ist das Stück enthalten und hat sich seitdem zu einem Markenzeichen der Band entwickelt. Die Zeltinger Band interpretiert dieses traditionelle deutsche Volkslied in ihrem eigenen Stil, der Elemente von Punk und Rock mit kölschem Dialekt verbindet..)
Getragen von der Dynamik und der Vehemenz seiner Fans heizte Jürgen noch einmal richtig ein. Jetzt tanzten selbst die beiden männlichen Bedienungen hinter der Getränketheke fröhlich mit, und der ganze Laden stimmte zusammen mit der Band ein:
„Müngersdorfer Stadion,
Müngersdorfer Stadion,
Müngersdorfer Stadion,
am beste jon ich schwemme im Stadion.“
Einmal (erneut) in Schwung, hängte man noch den „Stüverhoff“ hinten dran, ein Lou Reed-Cover von „Walk on the wild side“, und schließlich „Mein Vater war ein Wandersmann“ zum Ausklang und dem endgültigen Ende der Show. Die Band verbeugte sich tief vor dem Auditorium, die Fans jubelten, und der Kölner Nachthimmel stand förmlich in Flammen. Mit der Filmmusik von Antos Karas aus "Der dritte Mann" verschwnd die Band von der Bühne.
Bis zum nächsten mal!
Nicht unbemerkt: Am Rande des Konzerts wurden der bekannte österreichische Musiker Reinhard Stranzinger (STRANZINGER, Hubert von Goisern, SUPERMAX, DRAHDIWABERL, ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUNG (EAV), begleitet von C.J. “Metal Mamma“ Price von der ebenfalls aus Österreich stammenden Formation CJ. METAL MAMMA & GANG, in der vordersten Reihe gesichtet. Wenn man bedenkt, dass die Zeltinger Band ihre treue Fangemeinde bis in die entlegensten Winkel der Landkarte streut und bereits vor rund 30 Jahren in Wien für Furore sorgte, ist die Anwesenheit der Musiker leicht erklärt. C.J. Price erklärte dazu: „Die Nähe zu sozialkritischer Punk-Musik ist das, was mich zu ZELTINGER hingezogen hat. Er macht auf Kölsch das, was ‚meine‘ old-school British Punk-Rock-Bands machen, z. B. SHAM 69, UK SUBS.“
*Quelle: Wikipedia
All photos by: rockrank, außer Ralf Engelbrecht; photo by: Martin Kuske
„Mein besonderer Dank gilt Ralf Engelbrecht und Dennis Kleimann, die beide maßgeblich zur guten Zusammenarbeit zwischen der Zeltinger Band und rockfrank.com beigetragen haben.“
rockfrank