rock will never die
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Im Gespräch mit...Jürgen Zeltinger

photo by: Martin Kuske

rockfrank.com traf das Urgestein des Kölschrock, Jürgen Zeltinger, zu einem Gespräch über seine Anfänge, seinen Hit "Müngersdorfer Stadion" und seine aktuellen Bandbesetzung.

 

rockfrank: Jürgen, dein letztes Album datiert aus 2017 und heißt „Krank!“. Leider warst du selbst in letzter Zeit angeschlagen, heute erleben wir nach vielen Monaten wieder einen deiner ersten Live-Auftritte. Wie geht es dir?

 

Jürgen Zeltinger: Die Krankheit macht sich noch bemerkbar. Ich hatte ja Krebs. Ich bin aber Gott sei Dank geheilt worden. Aber der ganze „Spaß“ hat ungefähr 1 ½ Jahre gedauert, bis ich wieder auftreten konnte.

 

rockfrank: Aber dir geht es jetzt wieder besser?

 

Jürgen Zeltinger: Mir geht es, den Umständen entsprechend, wieder besser. Ich bin jetzt 76 Jahre alt. Das sind keine 30 oder 40 mehr. Das heißt, es gibt keinen Wodka mehr. Ab und zu aber noch ein Gläschen Wein. 

 

rockfrank: Und Kölsch?

 

Jürgen Zeltinger: Kölsch trinke ich grundsätzlich nicht. Habe ich noch nie getrunken.

 

rockfrank: „Kölsch Jeföhl“ heißt ein Album von dir aus 2003. Mir geht es um das „Jeföhl“ im Albumtitel. Was bedeutet Köln für dich persönlich?

 

Jürgen Zeltinger: Köln bedeutet mehr sehr viel. Ich war ein großer, großer Fan von den Black Fööss damals. Das war wahrscheinlich jeder (Kölner) damals, mehr oder weniger.

 

rockfrank: Das waren die kölschen Beatles.

 

Jürgen Zeltinger: Genau. Wenn ich im Ausland war, wo ich ja auch des Öfteren gelebt habe, war ich immer froh, wenn ich den Dom gesehen habe, wenn ich wieder zurückkam.

 

rockfrank: Könntest du dir vorstellen, irgendwo anders zu leben?

 

Jürgen Zeltinger: Zur damaligen Zeit nicht. Heutzutage ja. Das ganze Leben hat sich auf Grund des Alters und der Krankheit verändert. Früher hatte man „Angst“, mal 5 Minuten zu verpassen. Heute bist du froh, wenn du deine Ruhe hast, in deinem Garten bist und Blümchen pflanzt.

 

rockfrank: Gibt es ein Thema, das du in deinen Songs nie behandeln würdest, oder ist für dich wirklich alles erlaubt?

 

Jürgen Zeltinger: Also im Prinzip ist schon alles erlaubt. Aber politisch wäre ich sehr vorsichtig. Wenn ich an die AFD oder an das Bündnis Sarah Wagenknecht denke, bekomme ich das Kotzen.

 

rockfrank: Die politische Lage ist zurzeit sehr herausfordernd. Du hast schon einige Krisen miterleben müssen. Wie gehst du damit um, um einigermaßen entspannt zu bleiben?

 

Jürgen Zeltinger: Kämpfen, kämpfen, kämpfen. Es muss weiter gehen.

 

rockfrank: Du bist ja auch Mitbegründer der „Arsch Huh AG(Anm. Redaktion: Die Arsch Huh AG ist eine Initiative aus Köln, die sich gegen Rassismus, Ausgrenzung und soziale Ungerechtigkeit einsetzt. Gegründet wurde sie 1992 von Kölner Künstlern und Musikern, um ein Zeichen gegen rechte Gewalt zu setzen. Der Name „Arsch huh, Zäng ussenander!“ bedeutet auf Kölsch so viel wie „Hintern hoch, Mund auf!“ und ruft zum Engagement auf. Die Bewegung organisiert Konzerte, Aktionen und Bildungsprojekte, um Demokratie und Toleranz zu stärken). „Lebt“ das Projekt noch?

 

Jürgen Zeltinger: Das lebt noch, ja. Wir treten noch unregelmäßig auf. Dennis (Dennis Kleimann - Zeltinger Gitarrist) ist mittlerweile auch bei „Arsch Huh“. Der kann Dir von den Auftritten Genaueres erzählen, weil er sich da mehr drum kümmert als ich. (Zeltinger schweift ab und kommt auf Ralf Engelbrecht zu sprechen der auch mit in der Runde sitzt). Das ist der Ralf Engelbrecht (deutet mit einer Geste nach links, wo Ralf mit am Tisch sitzt). Ralf ist einer der Mitbegründer der Zeltinger Band. Und nach 20 Jahren Abstinenz ("28 Jahre", wirft Ralf ein) ist er wieder bei uns. Der alte Gitarrist musste den Job leider aus gesundheitlichen Gründen aufgeben, und da fiel uns der Herr Engelbrecht wieder ein. Ich dachte, der läuft doch auch noch irgendwo hier um.

 

photos by: Martin Kuske

 

rockfrank: Dennis, du bist der jüngste in der Band. Aber auch schon seit rund 10 Jahren dabei?

 

Dennis Kleimann: Seit Ende 2011, bin ich dabei. Also jetzt im 14. Jahr.

 

Jürgen Zeltinger: Wenn man das rückwirkend alles betrachtet („z.B. das Zustoßen von Dennis in die Band“): Er hat damals bei einem Konzert von mir in einer Vorband gespielt. Und dann kamen wir ins Gespräch. Irgendwie haben wir uns dann gesucht und gefunden. Dennis kam dann zu mir ins Studio, und wir haben ein paar Sachen aufgenommen. So hat sich das entwickelt. Kurze Zeit später ist Alex Parche gestorben (Gitarre) († 12. März 2009). Wir hatten dann zwischendurch noch einen Ersatz-Gitarristen, aber Dennis hat sich reingearbeitet.

 

rockfrank: Der Song „Stüverhoff“ ist eine Coverversion von Lou Reeds „Walk on the wild side“ und „Müngersdorfer Stadion“ ein Ramones-Cover. 1980 wart ihr gemeinsam mit Bob Geldofs Boomtown Rats auf Tour. Waren das alles Bands und Musik, die du damals auch privat gerne gehört hast?

 

Jürgen Zeltinger: Nein! (allgemeines Gelächter) Bob Geldof habe ich in den Arsch getreten, den habe ich gehasst. Das war ein Arschloch. Ein kleines, arrogantes Arschloch. Gerade, als sie damals ihren ersten Hit hatten. Ich glaube, das war auch der einzige.

I don`t like mondays“ wirft Dennis ein.  Jürgen Zeltinger: Der kam sich da vor wie ein „Weltmeister“. Dann war er auch noch sauer, weil wir, als Vorband, ihmdie Show gestohlen haben. Wir waren da wirklich angesagt. Da war Geldof angepisst. Ich habe ihm dann erst mal klar gemacht, dass er ein Arschloch ist.

 

rockfrank: Aber ihr musstet euch ja irgendwie arrangieren.

 

Jürgen Zeltinger: Das haben wir nicht so ernst genommen. Wir haben uns in so was nie reinzwingen lassen. Wir waren beispielsweise auch mit Motörhead unterwegs („die wirklich sehr nett waren“, wirft Ralf Engelbrecht schmunzelnd ein). Das waren Bands, die sehr nett waren.

 

rockfrank: Wie hast du damals die Rebellion des Rocks mit der kölschen Lebensart kombiniert? Die kölsche Lebensart ist ja eher „höösch“ (Anm. Redaktion: Höösch bedeutet in der Kölner Mundart "langsam," "geruhsam", "ohne Stress").

 

Jürgen Zeltinger: Das hat einfach zu mir gepasst. Ich habe immer meinen Rock ´n´ roll gelebt. Ich erinnere mich noch, wie das Stollwerck zu gemacht hat. (Anm. Redaktion: Das Stollwerck-Haus in Köln war in den 1980er Jahren ein bedeutendes autonomes Kultur- und Sozialzentrum. Es befand sich in der ehemaligen Schokoladenfabrik der Firma Stollwerck im Severinsviertel (Kölner Südstadt). Nach der Schließung der Fabrik wurde das Gebäude ab 1980 von Künstlern, Hausbesetzern und alternativen Gruppen besetzt und in einen kreativen, unabhängigen Raum für Kunst, Musik und politische Aktivitäten verwandelt. 1987 wurde das Gebäude trotz Protesten und Widerstand der Besetzer von der Stadt geräumt und später abgerissen. Als Ersatz wurde das Bürgerhaus Stollwerck gegründet, ein offizielles Kulturzentrum in einem anderen Gebäude). Da spielten wir schon mit BAP, die damals noch relativ unbekannt waren. Andere Musiker müssen gedacht haben: „Was ist das denn für ein Asi“. Ich war ja damals wirklich noch hoch drei Asi. Zumindest was das Outfit betraf. („Würde man Dir besser aus dem Weg gehen“ wirft Ralf erneut erheiternd ein). „Krakelerich war ich ja so oder so“, entgegnet Jürgen.

 

Dennis Kleimann: Du hattest aber auch immer eine zarte Seite an Dir. Sowohl musikalisch, aber auch menschlich. Und Du warst immer froh, wenn es auch mal ruhiger war.

 

rockfrank: Du hast mal in Deinem Live-Programm „Über sieben Brücken musst Du gehen“ von Karat gecovert. Wie kam es dazu?

 

Jürgen Zeltinger: Einfach, weil ich das Lied Weltklasse finde. Und dann bin ich auch nicht fies davor, so etwas zu singen.

 

Dennis Kleimann: Der Song ist ja auf unserer „Avjespeck“-Akustik-Duo-Platte (Anm. Redaktion: Live Album aus 2014). Da haben wir mal die Gelegenheit genutzt, das genaue Gegenteil von der Zeltinger Band zu zeigen. Nämlich das, was die Leute gar nicht erwarten. Sonst hätte man ja auch wieder eine (normale) Zeltinger-Platte machen können, wenn man einfach das gemacht hätte, was man eh immer macht. Deswegen haben wir die Gelegenheit genutzt, mal etwas anderes zu machen.

 

Jürgen Zeltinger: O-Ton: „ Is dat da drop“? Dennis Kleimann: Sieben Brücken ist auf der „Avjespeck“, ja. Jürgen Zeltinger: O-Ton: „ Muss ich ens anhüre, Ich hör mir ja nie meine Scheiße an. Einmal abmischen, Studio, Schluss, weg“. (allgemeines Gelächter)

 

Gitarrist Dennis Kleimann

photos by: Martin Kuske

 

rockfrank: Was motiviert dich, heute noch auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen?

 

Jürgen Zeltinger: Ich brauche das. Also ohne wäre ich krank, wäre kurz vor einem Selbstmord. Das bürgert sich ein. Du darfst nicht vergessen, ich habe letztendlich schon mit 5 oder 6 Jahren angefangen. Ich war damals in der Volksschule. Da ging es schon los mit einem Kinder-Chor. Dann war ich mit 8 oder 10 Jahren, durch die Volksschule, auf der rheinischen Musikschule. Also mein ganzes Leben habe ich immer nur der Musik gewidmet. Man fragt sich ja schon mal warum spielt Paul Mc Cartney noch, oder die Stones. Die können nicht anders. Und ich kann auch nicht anders.

 

Gitarrist Ralf Engelbrecht

photo by: Martin Kuske

 

rockfrank: Wenn du auf deine Karriere zurückblickst, gibt es etwas, das du aus musikalischer Sicht bereust, oder würdest du alles genauso machen?

 

Jürgen Zeltinger: Bereuen nicht direkt. Aber sicher hat man viele Fehler gemacht, durch andere, aber auch selbst. Als ich damals in Spanien lebte und kurz nach Köln kam, wurde ich von Arno Steffen (Anm. Redaktion: Deutscher Musiker, Komponist und Produzent) angesprochen, ob ich keine Lust hätte, ein bisschen Musik im Roxy zu machen. Dadurch entstand die erste Live-LP „Live im Roxy und Bunker“. Ich hatte aber immer eine Vorliebe für Akustik-Sachen, „Crosby, Stills, Nash & Young“, etc. Doch plötzlich war ich auf einmal verurteilt, Rock ´n´ Roll zu machen. Aus „Müngersdorfer Stadion“ wurde dann gleich ein Hit. Dann kam die Plattenfirma zu mir und meinte, dass wir jetzt ein kleines Image aufbauen müssen. Am besten machen wir aus dir, was zu dir passt, einen „Asi“. Das werde ich nie vergessen. Das ist eine Sache, zu der würde ich im Nachhinein „Nein“ sagen.

 

rockfrank: Du hast es eben angesprochen, das „Müngersdorfer Stadion“. Du hast damit viele kölsche Fußball-Herzen getroffen. Verfolgst du heute noch die Spiele des FC?

 

Jürgen Zeltinger: Das Müngersdorfer Stadion war immer ein Schwimmstadion. Der ganze Text geht nur um die Freizeit und das Schwimmen. Später haben wir aber „FC vor, noch ein Tor“ dran gehängt, damit es ein bisschen was vom FC hat.

 

rockfrank: Aber interessiert es dich grundsätzlich, wie die noch spielen?

 

Jürgen Zeltinger: Nein. Das hat mal. Aber jetzt bin ich Bayern-Fan. So eine Scheiße, wie dieser Verein (FC Köln) spielt, tut mir leid.

 

rockfrank: Wenn du dich selbst in drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das?

 

Jürgen Zeltinger: Schwul, pervers und arbeitsscheu. (Anm. Redaktion: „Schwul, pervers und arbeitsscheu“ ist auch eine Textzeile aus dem Zeltinger-Song „Kölsche Junge“ von 1982.)

 

rockfrank: Ist in naher Zukunft noch mal mit neuem Zeltinger-Material, einer neuen CD zu rechnen?

 

Dennis Kleimann: Es lohnt sich leider gar nicht mehr, eine CD zu veröffentlichen. Wenn man in ein Studio geht und einen Produzenten bezahlen muss, wie will man alleine diese Unkosten wieder reinbekommen? Worüber wir uns neulich noch unterhalten haben, ist, dass man einen guten Song schreibt, also einen richtigen guten Song, keinen Lückenfüller, dazu ein Video dreht und dass dann digital zu veröffentlichen – zum Beispiel auf Youtube oder Spotify.

 

Jürgen Zeltinger: Das kann ich mir gut vorstellen, dass wir so etwas machen.

 

Ralf Engelbrecht: Ich hab vielleicht eine Idee für eine neue Nummer, aber da muss ich nochmal drüber schlafen. Verbunden mit dem Gedanken, vielleicht machen wir noch mal eine CD. Aber wir werden, wenn, wohl nur noch streamen.

 

Dennis Kleimann: Selbst wenn wir bei +/- Null wären, würden wir sofort eine CD aufnehmen. Aber auch das ist ja leider nicht der Fall.

 

photo by: Martin Kuske

 
 
 
 
Ich bedanke mich für das interessante Interview und wünsche dir beruflich, aber vor allem Dingen gesundheitlich, alles Gute.
 
 
 
 

*„Ich kannte ihn von der Straße. Der Zeltinger war damals immer zwangsrekrutierend unterwegs. Er hatte eine Band und wen er gut fand, der wurde gezwungen, bei ihm zu spielen. Es hieß: ‚Ab morgen spielst Du in meiner Band, sonst gibt es Ärger‘.“

– Arno Steffen
 
*Quelle: Wikipedia/kölbinside.de